Gestatten, Schorsch!
Schorsch ist ein putziger Geselle, der inzwischen in unserem Museum wohnt. Er sieht vielleicht auf den ersten Blick ein bisschen gruselig aus, aber das täuscht.
Wie er zu uns ins Museum gekommen ist und was er hier so alles erlebt hat, dass könnt ihr hier lesen.
Wir wünschen euch viel Vergnügen.
Schorsch's Erlebnisse im Schiefermuseum
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Wie der Schieferbeißer sein Haus verlor
Hoch oben im Norden von Bayern liegt der Frankenwald. Und im nördlichsten Eckchen ebendieses Frankenwaldes passieren ganz wunderbare Dinge. Hier gibt es noch dichte, tiefe Wälder, in denen man - wenn man ganz still ist - Elfen und Wichtel und Feen hören kann. Und manchmal, wenn man genau hinschaut und die Augen ein bisschen zusammenkneift sieht man sie sogar. Also wenn man genau um dreiviertel vor viertel durch den Wald spaziert. Und dabei auf einem Bein hüpft. So erzählen es zumindest die, die es wissen müssen. Natürlich nur im Sommer. Denn im Winter, ja im Winter, wenn alles ganz dick mit Schnee bedeckt ist, im Winter schlafen die Elfen und Wichtel und Feen. Deswegen ist das ja auch die stille Zeit. Kein glockenhelles Lachen, das durch die dichten Wälder hallt. Kein Knabbern, das hinter der großen Lärche leise ertönt. Nichts. Aber schläft denn wirklich alles und jeder im Wald? Nein, natürlich nicht. Die Rehe und Wildschweine sind ja trotzdem noch da und hinterlassen ihr Spuren in der Winterlandschaft. Und ganz versteckt zwischen den dichtesten Fichten, neben einem großen Hügel leuchtet ein Fensterlein und raucht ein winzig kleiner Schornstein. Hier wohnt ein putziges Männchen mit großen Augen und noch größeren, spitzigen Zähnen. Seine Füße sind blau-weiß gestreift, genau wie sein rechtes Ohr. Das ist leider ein bisschen kurz geraten und gar nicht so schön lang und dunkelblau wie sein linkes. Dafür ist sein rechter Zahn aber der schönste und größte im ganzen Frankenwald. Zumindest hat er noch keinen schöneren und größeren gesehen. Dieses Männlein ist ganz dunkelblau, genau wie seine Leibspeise. Und dafür braucht es auch die spitzigen Zähne. Sind es Nüsse? Oder Tannenzapfen? Oder vielleicht sogar Schokolade? Nein!
Am allerliebsten, also wirklich fürchterlich gerne, knabbert und knuspert das blaue Männchen am Schiefer. Was? An dem Stein? Genau an dem! Deshalb braucht es ja auch die spitzigen Zähne. Denn so ein Schiefer kann ganz schön schwierig zum Abbeißen sein. Dafür schmeckt er dem Männlein aber ganz hervorragend. So ein Schiefer hat ganz viele Schichten, deshalb können ihn die Schieferdecker ja auch als dünne Platten auf Dächer legen. Und für das Männlein schmecken diese Schichten wie Vanille und Heidelbeeren und Schokolade und Apfelstrudel und was man sich alles so vorstellen kann. Jeder Stein schmeckt ein bisschen anders, weil jeder Stein ja auch eine unterschiedliche Schichtung hat. Für den Winter hat er immer einen Vorrat an feinstem Thüringer Blauen Stein in seinem Keller. So kann er, wann immer er Hunger hat, einen Happen von seinem Lieblingsessen abknabbern. Es ist also alles wunderbar für das Männlein. Ein warmes Häuschen, ein Keller voll mit dem leckersten Schiefer und weit und breit niemand, der ihn stört. So ein Schieferbeisser ist nämlich ein richtiger kleiner Einsiedler. Deshalb wohnt er auch so tief im Wald, damit ihn ja niemand findet. Und damit keiner seinen Schiefer wegfuttert.
Am letzten Samstag aber, da ist dem Schieferbeisser ein Unglück passiert. Eine richtige Katastrophe sogar. Am letzten Samstag hatte heftig gestürmt. Der Wind fegte durch den Wald, laut und wütend. Er riss Äste ab und knickte sogar ganze Bäume um. Die Rehe waren richtig eingeschüchtert und kuschelten sich aneinander und selbst die Wildschweine, die ja sonst ziemlich angaben, hatten sich unter den großen Felsvorsprung verzogen. Der Schieferbeisser hatte aus seinem Fenster in den Wald geblickt und vergnügt einen Happen Schiefer geknuspert. Diesmal hatte der Schiefer wie Popkorn geschmeckt. Mmmh, lecker! Als er den tanzenden Schneeflocken zuschaute, knarzte es mit einem Male verdächtig laut. Der Schieferbeisser konnte das beim ersten Mal gar nicht hören, weil er gerade besonders hingebungsvoll auf seinem Abendessen herum kaute. Das zweite Knarzen aber, das hörte er auch und er blickte nun nicht mehr vergnügt, sondern besorgt nach draußen. Hoffentlich blieb seine Lieblingsfichte heil. Die Fichte ist der Baum, den es am häufigsten im Frankenwald gibt. Sie wächst schnell und man kann das Holz für allerlei Sachen gebrauchen. Und aus den frischen Trieben kann man sogar eine leckere Süßigkeit herstellen. In dieser Nacht aber, da dachte der Schieferbeisser nicht an den Fichtenspitzenhonig oder an den schönen Schaukelstuhl aus Holz, den er im Sommer vor sein Häuschen stellte. Am letzten Samstag, da dachte er sorgenvoll an seinen Lieblingsbaum, der unter dem Sturm ächzte und knarzte. Und mit einem Male passierte es. Ein Krach, als würde ein Schuss abgefeuert. Sekunden später bebte der Fußboden und das ganze Häuschen vibrierte und wackelte.Der Schieferbeisser schaute nach oben und sah gerade noch, wie sein Dach auseinanderbrach und er mit einem Mal Schnee auf seinen Ohren merkte. Das gestreifte Ohr wurde schneller kalt, als das blaue. Gottseidank war es viel kürzer, so wurde es dem Schieferbeisser nicht ganz so schnell frostig zumute. Ein großer Ast war auf sein Häuschen gefallen und hatte das Dach entzwei gehauen. Das ganze Wohnzimmer war mit Holzsplittern, Fichtennadeln und Schnee bedeckt und ein ungemütlich kalter Wind johlte um das kleine Männlein herum. Dem Schieferbeisser wurde ganz bang zumute. Über ihm sanken dicht an dicht dicke Schneeflocken herab, die schnell eine Decke auf seinem Wohnzimmerfußboden bildeten. Sein Kamin zischte und rauchte und ging schließlich ganz aus. Es knarzte und krachte wieder und er ahnte, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. Er spürte einen scharfen Luftzug und wurde komplett in eine Wand aus weißem, eiskalten Schneenebel eingehüllt. Gerade konnte er noch seinen Schal und seine Mütze schnappen und aus seinem Häuschen flüchten, als der Waldboden anfing zu beben. Seine Lieblingsfichte war in der Hälfte entzwei geknickt. Die Spitze des mächtigen Baumes war direkt auf sein Häuschen gefallen und hatte nichts als einen riesigen Haufen Schnee hinterlassen.
Dem Schieferbeisser trieb es die Tränen in die Augen. Was sollte er jetzt nur machen? Es war eisig kalt und er konnte doch nicht den ganzen Winter in einem Iglu wohnen! Und wie sollte er an seine Leibspeise gelangen? Solange noch Schnee lag, gab es kein Durchkommen zu seinem Keller. Und im Frühling würde er als erstes einmal das große Stück Baum wegräumen und sein Häuschen reparieren müssen. Oh, dem blauen Männchen wurde ganz Bange zumute. Er hatte noch nie von einem Schieferbeisser ohne Häuschen gehört. Oder ohne Schiefer. Seine Mütze und sein Schal würden ihn nicht über den Winter bringen. Und wo sollte er sich hinkuscheln, wenn er müde würde? Eine große Träne kullerte dem Schieferbeisser aus dem linken Auge. Er seufzte tief und schniefte laut auf. Dann würde er sich wohl ein neues Winterquartier suchen müssen. Er schüttelte sich einmal, richtete sich dann gerade auf und wischte sich die Träne aus dem Auge. Ein letzter Blick zurück und dann machte sich das Männlein auf den Weg. Wohin? Das wusste er selbst noch nicht. -
Wie der Schieferbeißer vom Museum erfuhr
Tagelang wanderte der Schieferbeisser nun schon durch den Frankenwald. Er ärgerte sich, dass seine Beine so kurz waren, weil er so viel länger für die gleiche Strecke brauchte, als z.B. die Rehe oder Füchse. Na ja, die hatten natürlich dazu noch vier Beine, da ging das nochmal schneller. Oh, das Männlein war brummelig. Er war gelaufen und gelaufen, den einen Hügel hinauf und den anderen Hügel wieder hinab, nur um vor dem nächsten Berg zu stehen. Der nördliche Frankenwald, also die Region durch die er gerade lief, zeichnete sich vor allen Dingen durch tief eingeschnittene, enge Täler aus. Und wo so ein Tal ist, da gibt es natürlich auch Berge. Und die waren dafür verantwortlich, dass der Schieferbeisser ziemlich schnaufen musste. Seit Samstag hatte er keinen Schiefer mehr geknuspert. Schon fast eine ganze Woche lang! Und zum Schlafen hatte er sich leere, kalte Fuchsbauten gesucht. Wenn er an sein warmes, gemütliches Häuschen dachte, dann musste er immer ganz arg schlucken, damit keine Tränchen kullerten.
Gleich im Frühjahr würde der Schieferbeisser wieder nach Hause wandern und sein Zuhause reparieren. Oh, wie er sich ärgerte. Das Männlein schimpfte auf den Schnee und auf den Wald und auf den Winter. Doch es alles half nichts, er musste weiter. Sein Bauch grummelte mit ihm um die Wette. Er hatte so einen Hunger. Natürlich könnte er auch etwas anderes als Schiefer essen. Aber das ist so, als wenn man anstelle des Sonntagsbratens mit Klößen nur eine Scheibe altes, trockenes Brot kauen würde. Ohne Wurst. Man wurde schon satt, aber so richtig lecker war das nicht. Der Schieferbeisser schüttelte den Kopf. Nein, das konnte so nicht weitergehen. Ohne Schiefer würde er den Winter nicht überstehen. Ihm wurde ganz mulmig und er stapfte missmutig weiter, den nächsten Berg hinauf. Mit einem Male lichtete sich der Fichtenwald und das Männlein gelangte zu einem breiten Streifen, wo es nur winterkahle Birken gab. Der Wind pfiff hier noch viel mehr, als zwischen den Fichten und der Schieferbeisser musste seine Bommelmütze festhalten, damit sie ihm nicht vom Kopf geweht wurde. Er ging weiter entlang der Birkenschneise, den Blick fest auf seine Füße gerichtet, damit er nicht über eine Wurzel stolperte und kopfüber im Schnee landete. Es dauerte nicht lange und er stand vor einem hohen Turm. Mitten im Wald.
Das Männlein blickte nach oben. Und weil so ein Schieferbeisser nicht groß wie ein Mensch ist, sondern ungefähr so groß wie ein Waldwichtel, kam ihm der Turm riesig vor. Staunend ging er um das Gebäude herum und betrachtete es sich von allen Seiten. An einer Seite war eine Reihe kleiner Fenster senkrecht nach oben angeordnet und ganz oben auf dem viereckigen Turm gab es eine runde Plattform. Was konnte das wohl sein? Als er da so stand und noch über den hohen Turm nachdachte, hörte der Schieferbeisser mit einem Mal Stimmen. Das klang nach diesen Menschenwesen. Er hatte schon von ihnen gehört, aber bis jetzt hatte er noch keine gesehen. Und um ehrlich zu sein hatte er auch ein bisschen Angst vor ihnen. Deshalb versteckte er sich hinter einem umgefallenen Baumstamm und beobachtete die beiden herannahenden Gestalten. Oooh, die waren aber ganz schön groß. Und konnten ganz schön lange Schritte machen. Der eine Mensch sagte gerade zum anderen: "Da schau, jetzt sind wir schon an der Thüringer Warte. Ich hab Dir ja gesagt, dass es kein langer Weg ist von Lauenstein aus." Der andere Mensch nickte zustimmend und zusammen liefen die beiden zum Turm. Es dauerte aber nur einen Augenblick bis die zwei wieder auftauchten. "Und jetzt? Ach menno, das hätten wir uns ja denken können, das der Turm im Winter nicht offen ist."
Das zweite Menschenwesen tätschelte dem ersten den Arm. "Weißt Du was, lass uns zurück nach Lauenstein laufen und dann fahren wir nach Ludwigsstadt und besuchen eben das Schiefermuseum." Die zwei Menschen entfernten sich wieder und verschwanden schließlich im Wald. Zurück blieb das Männlein, dem die Ohren klingelten. Also das blaue etwas mehr als das gestreifte, weil es ja auch länger war. Es gab ein Schiefermuseum? Was war denn bitteschön ein Museum? Hatte er das überhaupt richtig verstanden? Hatten die Menschenwesen vielleicht Moseom oder Monsueum oder so gesagt? Die zwei hatten schon sehr komisch gesprochen. Der Schieferbeisser überlegte und überlegte. Vielleicht war ein Museum ja ein großer Berg mit noch mehr Schiefer? Oder vielleicht war es ein Keller, wie sein eigener, in dem Schiefer gelagert wurde. Oder... Er strengte sich ganz fest an, aber es fiel ihm nichts ein. Das einzige was sicher schien, es gab dort Schiefer. Er war gerettet! Jetzt musste er nur noch dort hin kommen. Der Schieferbeisser krabbelte aus seinem Versteck und folgte in gebührendem Abstand den beiden Menschen. Bald würde er köstlichen Schiefer knuspern, da war er sich ganz sicher! Er konnte ihn fast schmecken. Mmmh. Schon stapfte es sich viel leichter durch den Schnee. Und mit neu erwachtem Mut wanderte das Männlein Richtung Lauenstein, immer den Spuren seiner beiden Retter hinterher. Oh, wie er sich auf dieses Schiefermuseum freute. -
Wie der Schieferbeißer ins Museum kam
Wenn der Schieferbeisser gewusst hätte, dass es von Lauenstein ins Museum genauso lange ist, wie von seinem Häuschen zur Thüringer Warte, ihm wäre das Herz in die gestreiften Füße gerutscht. Da war es schon ein Glück, dass er so gar keine Idee hatte. Fest in Schal und Mütze eingemummelt wanderte er gen Lauenstein. Schon von Weitem sah er die riesengroßen Häuser der Menschen. Wie viele Schieferbeisser da wohl in einem Platz hatten? Und die meisten hatten die dunklen Schieferdächer, die so typisch für den fränkischen Rennsteig waren. Aha, da mochten die Menschenwesen also auch Schiefer. Vielleicht wurden sie dem Männlein ja doch noch sympathisch. Solange sie ihm bloß nicht seine Lieblingsspeise wegfutterten! Die Menschen waren ja so groß, die fraßen sich an einem Tag bestimmt durch einen ganzen Schieferberg. Der Schieferbeisser runzelte die Stirn. Wenn er so darüber nachdachte, dann wurden er und diese Menschenwesen wahrscheinlich doch keine Freunde. Wer konnte schon wissen, was die sonst noch knusperten. Vielleicht war die Leibspeise ja gar nicht Schiefer, sondern Holz. Oder Himbeeren. Oder - und nun wurde dem Männlein ganz Angst und Bange - vielleicht, ja vielleicht aßen diese Wesen am allerliebsten Schieferbeisser. Er hielt mitten im Schritt inne und blickte sich ängstlich um. War es wirklich eine gute Idee, hinter den beiden Menschen her zu gehen? Was, wenn sie ihn schon längst erblickt hatten und ihm auflauerten? Vielleicht sollte er lieber im Wald bleiben und gar nicht zu diesem Schiefermuseum gehen.
Wahrscheinlich wäre er wieder umgedreht und schnurstracks zurück gelaufen, wenn in diesem Moment nicht ein bekanntes Gesicht vor ihm aufgetaucht wäre. Vor ihm stand Felix der Fuchs. Der Schieferbeisser konnte es gar nicht recht glauben. Was machte sein Freund denn hier? Eigentlich ist so ein Schieferbeisser ja ein rechter Einsiedler und will nur seine Ruhe haben. Der Fuchs und das Männlein hatten sich aber trotzdem vor einiger Zeit angefreundet. Felix hatte ihm von seinen Ausflügen immer einmal wieder kleine Stücke Schiefer mitgebracht. Na, und das hatte dem Männlein natürlich gefallen. Dafür hatte der Schieferbeisser dem Fuchs immer Nüsschen mit seinem großen Zahn geknackt. So hatten die beiden im Sommer oft knackend und kauend vor dem Häuschen des Männleins gesessen und hatten ihre helle Freude gehabt. Im Winter sahen sie sich seltener, weil das Männlein selten vor die Tür ging und Felix oft unterwegs war, um sich Futter zu suchen. Deshalb war der Schieferbeisser auch so überrascht seinen Freund hier zu treffen. Mit ihm hatte er nun gar nicht gerechnet. Dem Fuchs ging es ebenso und er blickte das Männlein ziemlich verdattert an; “Was treibst Du denn hier, Schorsch? Du bist aber ganz schön weit von zu Hause weg.” Das Männlein sank in sich und wurde wieder ganz traurig. Er erzählte seinem Freund von dem Unwetter und seiner Lieblingsfichte und seinem kaputten Häuschen. Der Fuchs legte ihm beruhigend seine weiche Pfote auf sein gestreiftes Beinchen. Der Schieferbeisser schniefte und strengte sich ganz arg an, damit Felix kein Tränchen sah. Er fuhr fort und erzählte von den beiden Menschenwesen und dem Schiefermuseum. Der Fuchs nickte zustimmend. Er war auch sehr vorsichtig, wenn er mit Menschen zu tun hatte. Die konnten ziemlich sauer werden. Das merkte er immer, wenn er sich die leckeren Knödel mit Nüssen und Samen schnappte, die im Winter im Garten hingen. Felix grinste schelmisch. Ha! Erwischt hatten sie ihn bis jetzt aber nicht. Diese Menschen waren wohl nicht die Schlausten. Zumindest nicht so schlau wie ein Fuchs. Der Schieferbeisser lächelte nun ebenfalls. Wenn ein Fuchs die Menschen austricksen konnte, dann war das für ihn überhaupt kein Problem. Ihm wurde ein bisschen leichter ums Herz. Und als sein Freund ihm anbot, dass er ihn ins Museum bringen würde, da hüpfte er vor Freude auf und ab. Das Männlein kletterte auf den Rücken des Fuchses und kuschelte sich tief ins weiche Fell seines Freundes. Und hui, jetzt ging es schnell voran.
Felix sauste wie ein Blitz durch die Winterlandschaft, vorbei an Lauenstein mit seiner eindrucksvollen Burg und durch den Wald ins Tal. Hier war er ein bisschen vorsichtiger und wartete darauf, dass es dämmerte. Die Menschenwesen können nämlich in der Dunkelheit nicht so gut sehen und so würden die beiden unentdeckt bleiben. Mit großen Augen betrachtete der Schieferbeisser die vielen Gebäude während sein Freund durch Gärten flitzte, über Wege rannte und an Holzstapeln vorbei huschte. Und so standen Sie bald vor einem großen Gebäude. Mittlerweile war es fast ganz dunkel und die Fenster des Gebäudes leuchteten hell und einladend. Der Schieferbeisser krabbelte vom Rücken seines Freundes und streckte sich. Felix schüttelte sein weiches Fell aus und lächelte seinem Freund aufmunternd zu: “Soderla Schorsch. Hier wären wir. Das ist das Schiefermuseum. Ich glaube, hier wird es Dir gefallen.” Der Fuchs drückte seinem Freund zum Abschied die kalte Nase an die Backe und bevor sich das Männlein versah, war Felix auch schon auf und davon.Hier im Tal lag ganz wenig Schnee und der Schieferbeisser fand rund um das große Haus jede Menge Schiefer. Schnell knusperte er ein paar Stückchen. Dunkle Schokolade und Lebkuchen. Das war aber ein feiner Schiefer! Gesättigt und gestärkt packte den Schieferbeisser die Neugier und er krabbelte auf die Fensterbank, um einen Blick ins Museum zu erhaschen. Seine Augen wurden groß und größer. So viel Schiefer! Da musste er unbedingt hinein. Nur wie, ohne dass er entdeckt wurde? Schnell hüpfte er wieder von der Fensterbank und versteckte sich hinter einem großen Schiefer. Während er noch grübelte, wie er wohl am Besten in das Haus gelangen könnte, kam ihm der Zufall zu Hilfe. Das Männlein hatte sich nämlich zwischen dem Schiefermuseum und dem Nachbarhaus versteckt und dort war auch der Seiteneingang. Und genau dieses Tor schwang nun auf und heraus kamen zwei Menschenwesen, die einen großen Karton schleppten. So wie die beiden ächzten war es wohl eine schwere Kiste. Vielleicht war da ja besonders toller Schiefer drin. Dem Schieferbeisser lief das Wasser im Munde zusammen und am liebsten wäre er den beiden hinterher gelaufen. Als die beiden Menschen mit ihrer Kiste um die Ecke verschwanden bemerkte der Schieferbeisser, dass die Tür noch offen stand. Das war die Gelegenheit! Er flitzte so schnell, wie ihn seine kleinen Beine trugen, durch das hohe, weiße Tor und ins Museum. Dort schlüpfte er hinter ein großes Holzregal und blickte sich staunend um. Das musste das Schieferbeisser-Schlaraffenland sein.
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Wie der Schieferbeißer dem Geheimnis der roten Linien auf die Spur kam
Der Schieferbeisser hatte sich schnell wieder hinter dem Holzregal im Museum versteckt, denn gerade als er herunter krabbeln wollte, um sich noch ein bisschen umzusehen, waren die zwei Menschen aufgetaucht. Laut hatte die beiden geredet und so dröhnend gelacht, dass das Männlein es noch bis in seinen kleinen Zeh gespürt hatte. Brrr, ein bisschen gruselte er sich vor den Menschenwesen. Wenn jemand so gar kein gestreiftes Ohr oder Bein hatte, dann war das auf jeden Fall verdächtig. Wie gut, dass der Schieferbeisser ein Versteckprofi war. Die unheimlichen Menschenwesen würden ihn hinter seinem Holzregal auf keinen Fall finden. Da war er ganz sicher. Er kuschelte sich in das dritte Fach von links und machte es sich gemütlich. Vor ihm steckte eine glatt geschliffene, viereckige Platte Schiefer, von der er immer einmal wieder ein Stückchen abknusperte, während er überlegte, wie es weitergehen sollte. Und über das ganze Nachdenken und Knuspern, da schlief das Männlein doch glatt ein.
Als der Schieferbeisser wieder wach wurde, war es ziemlich dunkel im Museum. Kein Licht brannte mehr und nur die Lampen von draußen spendeten ein bisschen Helligkeit. Für das Männlein war das nicht schlimm, denn so ein Schieferbeisser sieht natürlich auch im Dunklen ganz gut. Er lauschte angestrengt, aber es war mucksmäuschenstill. Vorsichtig spitzte er hinter dem Regal hervor. Es sah so aus, als ob er alleine war. Behutsam kletterte er aus seinem Versteck und blickte sich in dem riesigen Raum um. Große Maschinen standen an jeder Wand und überall lagen diese glatt polierten Schieferplatten aufgestapelt herum. An den Wänden sah der Schieferbeisser Bilder von Menschenwesen, die die Maschinen benutzten. Aha, offenbar schliffen und schnitten sie am Schiefer herum. Und wenn alles schön glatt war, dann ritzten sie Linien hinein. Dem Schieferbeisser blieb die Spucke weg. Warum malten sie denn danach bloß die wunderbaren Platten ganz rot an? Das durfte nicht sein! Da war ja der leckere Schiefer kaputt. Natürlich konnte man Schiefer mit Fichtenspitzenhonig bestreichen. Das war dann wie Butterbrot mit Honig. Oder mit Pilzen belegen. Aber mit einer roten Farbe anstreichen? Oh, das wollte er sich gar nicht vorstellen, wie das wohl schmeckte. Diese Menschen waren einfach komisch. Auf dem nächsten Bild sah er, dass die rote Farbe wieder abgewaschen wurde und vor dem Bild lag ein Stapel mit Schieferplatten, die jetzt rot gestreift waren. Für was benutzten die Menschen diese Platten wohl? Also diese Streifen sahen ja ganz hübsch aus, fast so hübsch wie seine Ohren- und Fußstreifen. Aber eben nur fast. Der Schieferbeisser betrachtete ganz stolz seine beiden Beinchen, bevor er wieder auf die großen Bilder schaute. Aber nirgends konnte er einen Hinweis finden.
Er spitzte in den nächsten Raum. Dort lagen eine Menge Werkzeuge und große und kleine Schiefer. Einer sah besonders schön aus, weil er voller Katzengold war. Den hätte er gerne vor seinem Häuschen gehabt, das hätte toll ausgesehen. Der Schieferbeisser spürte einen kleinen Stich und musste ganz kurz blinzeln. Er dachte an sein gemütliches Wohnzimmer und an seinen Keller. Ach ja. Schnell ging er weiter, um sich ein bisschen abzulenken. In dem ganzen Raum fand er jedoch keinen Hinweis, warum die Menschen die roten Striche auf die Platten machten. Auch im nächsten fand er nichts dazu, nur weitere große Maschinen und eine Menge Buchenholz. Eine Treppe führte nach oben und der Schieferbeisser erklomm neugierig Stufe für Stufe. Vielleicht kam er ja hier dem Geheimnis der roten Linien auf die Spur.
Als das Männlein in der ersten Etage ankam, musste er ganz schön schnaufen und sich auch einmal kurz ausruhen. Puuh, Treppenstufen waren ziemlich anstrengend, wenn sie für Menschenbeine gedacht waren. Das war fast wie Bergsteigen. Nach ein paar Minuten war das Männlein wieder bei Kräften und bereit für die weitere Erkundungstour im nächsten Raum. Hier gab es ein altes Zimmer mit einem großen Kachelofen, einem Holztisch, einer Bank und auch sonst allerlei Möbeln und Klimbim. Das musste er sich unbedingt nochmal genauer anschauen, aber jetzt zog es ihn weiter, immer auf der Spur der roten Linien. Und über die fand er hier so gar nichts. Na, dann würde er eben noch eine Etage höher klettern. Hier gab es doch ganz bestimmt eine Antwort für ihn. Leider hatte sich der Schieferbeisser getäuscht, denn auch hier fand er nichts, was das Geheimnis lüftete. Das Männlein war schon ziemlich entmutigt. Wenn bis hierher nichts über die Streifen zu finden war, was sollte es denn dann ganz oben unterm Dach schon geben?Das Männlein kraxelte die letzten Stufen hinauf und blickte sich gespannt um. Was gab es denn hier zu sehen? Eine Menge Bänke. Das sah ja fast wie in der Hasenschule aus. Na ja, die Bänke waren natürlich für die riesigen Menschenwesen gemacht. Der Schieferbeisser hüpfte auf einen der Plätze - und landete rückwärts auf seinem Allerwertesten. Autsch! Da kippten diese Sitze doch glatt nach hinten. Diese Menschen wurden ihm immer seltsamer. Warum überlegte man sich denn so eine Gemeinheit? Die mussten sich untereinander aber gerne ärgern. Der Schieferbeisser wackelte mit seinem blauen Ohr. Das machte er nur, wenn er sich wirklich wunderte. Vorsichtig kletterte er wieder auf die Bank. Vor ihm auf dem Tisch lagen zwei solche geschliffenen Platten. Die waren mit einem bunten Holzrahmen versehen und hatten, ganz genau, rote Streifen. So langsam dämmerte es dem Schieferbeisser und er musste ein bisschen grinsen. Da hätte er ja auch viel eher dran denken können. In der Hasenschule schrieben die kleinen Häschen auf Rindenstücke. Und in der Menschenschule schrieben die Kinder eben auf Schieferstücke. Und klar brauchten die dazu Linien, sonst würde ja alles krumm und schief werden. Es konnte ja nicht jeder so schön und gerade schreiben wie der Schieferbeisser. Das wollte er gleich einmal probieren, wie es sich so auf Schiefer schrieb. Was könnte man denn da als Stift nehmen? Das kleine Männlein überlegte und überlegte. Und während er so überlegte wurde er hungrig und müde. Vielleicht genügte so ein Abenteuer ja auch für eine Nacht. Die Stifte würde er ein anderes Mal finden. Stufe für Stufe hüpfte der Schieferbeisser zurück nach unten, bis er wieder vor seinem Holzregal stand. Er schlüpfte in das dritte Fach von links, kuschelte sich ein und knusperte noch ein wenig an seiner Schieferplatte. Es dauerte gar nicht lang, bis er einschlief und von roten Streifen träumte, die nach Erdbeereis schmeckten.
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Wie der Schieferbeißer eine neue Nascherei erfand
Der Schieferbeisser war jetzt schon ein paar Tage im Schiefermuseum und hatte es sich hinter dem Regal ganz gemütlich eingerichtet. Tagsüber schlief er und knusperte ab und zu ein bisschen Schiefer. Sobald es dunkel und ruhig wurde, traute er sich aus seinem Versteck und erkundete seine neue Bleibe. Ganz oft zog es ihn dabei in das Klassenzimmer in der obersten Etage, wo er sich auf die Bänke setzte und sich vorstellte, wie das wohl in so einer Menschenschule zuging. Überhaupt. Die Menschenwesen hatten das Interesse des Männleins geweckt und es wollte so viel wie möglich über sie erfahren. Zum Beispiel, was sie aßen. Mit den kurzen Zähnen auf keinen Fall Schiefer, da war er sich sicher. Die Menschenzähne waren ja sogar noch kleiner als sein kürzester Zahn. Damit konnten sie allerhöchstens Schieferkrümel kauen. Und davon konnten diese Riesen auf keinen Fall satt werden. Auch seine Sorge, dass die Menschen vielleicht Schieferbeisserbraten auf dem Speiseplan hatten, hatte sich gottseidank nicht bewahrheitet. Da war er ganz besonders froh darüber, denn es gefiel ihm im Museum. Und wenn man keine Angst haben musste, aufgegessen zu werden, war es gleich nochmal schöner. Und so überlegte das Männlein hin und her. Als er aber auch am nächsten und übernächsten Tag noch keinen richtigen Einfall gehabt hatte, da beschloss er, der Sache auf den Grund zu gehen. Heute Abend, wenn kein Mucks mehr im Museum zu hören war, dann würde er sich auf die Suche machen. Es wäre ja gelacht, wenn er dieses Geheimnis nicht lösen könnte. Und wenn die Menschen nun doch Schiefer futterten? Na dann würde er eben ein gutes Versteck für die besten Stücke suchen. Und mit diesem Gedanken im Kopf schlummerte der Schieferbeisser ein und ließ den Tag Tag sein.
Am Abend als er wach wurde, streckte sich der Schieferbeisser genüsslich, knabberte ein wenig Schiefer und traute sich dann frisch gestärkt und munter aus seinem Versteck. Er hüpfte auf die Bank neben seinem Regal und blickte sich um. Immer wenn ihn die Menschen aufweckten, kamen sie aus der gleichen Richtung. Und immer wenn sie das Museum wieder verließen, gingen sie in dieselbe Richtung. Das Männlein sprang mit einem Satz von der Bank und ging in Richtung des ersten großen Raumes. Ganz vorne in dem Raum stand seine Lieblingskiste mit den kleinen Schieferstückchen und daneben war eine große Glastür. Dorthin verschwanden die Menschenwesen immer. Und dorthin hatte sich der Schieferbeisser bisher noch nicht getraut. Man konnte ja nie wissen, ob nicht vielleicht doch ein Mensch über Nacht hier blieb. Vielleicht war er ja nur besonders leise. Sollte er sich wirklich trauen und durch die Tür gehen? Das Männlein lauschte angestrengt. Seine Ohren streckten sich besonders lang, um auch noch den kleinsten Ton zu hören. Nichts. Zufrieden lief der Schieferbeisser los, schnappte sich im Vorbeigehen noch ein Schieferstückchen, zog dann die Glastür einen Spalt auf und schlüpfte hindurch.
Er stand in einem kurzen Gang an dessen vorderem Ende eine Tür nach draußen führte. Der Schieferbeisser tapste weiter in den Raum hinein. Hier war es aber kuschelig warm. Fast so schön warm wie in seinem Wohnzimmer, wenn der Kamin loderte. An einer Garderobe hingen ein paar
Menschenjacken und dahinter stand ein Regal mit vielen unterschiedlichen, bunten Blättern. Gegenüber der Ausgangstür standen zwei große Tische mit allerlei Sachen darauf und dahinter sah er zwei Stühle, die auf Rollen standen. Hier saßen die Menschen anscheinend, wenn sie tagsüber da waren. Und da hinten gab es auch einen Schrank. Neugierig pirschte sich das Männlein an. Vorsichtig schob er die Tür des Schränkchens auf und spitzte hinein. Noch mehr Papier, diesmal ordentlich gestapelt. Mmmh, vielleicht aßen die Menschen ja Papier. Genug davon lag hier herum. Vorsichtig biss der Schieferbeisser ein Eckchen ab. Bäääh! Nein, Papier schmeckte dem kleinen Männlein überhaupt nicht. Es schmeckt wie, na eben wie Papier. Nach nichts und noch viel weniger. Der Schieferbeisser spuckte und prustete. Hoffentlich war das nicht das einzige, was diese Menschenwesen mampften. Suchend blickte er sich um. Da auf dem einen Tisch stand ganz im Eck ein Teller. Er krabbelte auf den Stuhl und von dort aus auf den Tisch. Aha! Da lag ein Apfel. Also schienen die Menschen auch Obst zu essen. Und daneben auf dem Teller sah der Schieferbeisser etwas ganz Unbekanntes. Es war rund und hatte in der Mitte eine Delle. Vorsichtig schnupperte er daran. Das roch gar nicht so schlecht. Er tippte den Rand ganz kurz an. Schön weich. Sollte er? Was könnte denn passieren? Vielleicht bekam er ja Bauchweh. Aber der Schieferbeisser war heute Nacht sehr mutig und deshalb nahm er einen großen Bissen. Bedächtig kaute er darauf herum. Das war ja wirklich gar nicht schlecht. Also dafür, dass es kein Schiefer war. Aber irgendetwas fehlte. Das runde Ding schmeckte gar nicht süß. Das konnte das Männlein jedoch schnell ändern. Er hatte immer ein bisschen Schieferstaub dabei. Und so ein Schieferstaub schmeckt für einen Schieferbeisser wie Puderzucker. Flugs streute er ein bisschen davon auf den Kringel. Der nächste Biss war wahrhaft himmlisch. Das schmeckte dem Männlein gar sehr. Wie diese Leckerei wohl hieß?
Der Schieferbeisser überlegte ein wenig und dann wackelte er vor Freude mit beiden Ohren. Genauso würde er es nennen, diese himmlische, fantastische, leckerliche Nascherei. Weil er ja Schieferstaub darauf streute und weil der Kringel ja nicht groß war, da könnte er es doch Streublein nennen. Aber weil der Schorsch ein fränkischer Schieferbeisser war und ein "lein" im Fränkischen zum "la" wurde, da überlegte er sich, dass er die Nascherei zukünftig "Streubla" nennen würde. Das gefiel ihm sehr gut. Und weil er so zufrieden mit sich war, genehmigte er sich noch einen großen Bissen von der Menschen-Schieferbeisser Kreation, bevor er wieder hinter das dritte Fach von links kraxelte.
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Wie der Schieferbeißer endlich wieder schlafen konnte.
Rumms! Der Schieferbeisser fiel vor Schreck fast aus seinem Regal. Was war das denn bitteschön? Angestrengt blinzelte er durch die Holzverkleidung, um zu erkennen, was da so einen Lärm verursacht hatte. Na hoffentlich drohte dem Schiefermuseum nicht das gleiche Schicksal wie seinem Häuschen. Da hatte es auch mit einem Schlag angefangen und am Ende hatte er kein Dach über dem Kopf mehr gehabt. Der Schieferbeisser fühlte ein Kribbeln in seinen Ohren. Im blauen ein bisschen mehr, als im gestreiften, weil es ja länger war. Nein, er wollte auf keinen Fall schon wieder umziehen müssen. Es war Winter und kalt und es lag Schnee draußen. Natürlich macht einem Schieferbeisser die Kälte nicht so viel aus, wie einem Menschen, aber viel lieber hat er den Frühling und den Sommer und den Herbst. Und bei Wind und Wetter draußen herum wandern, nein das mochte der Schorsch auf keinen Fall.
Deshalb lauschte er ganz fest, ob es knarzte und knackte, oder ob ein Sturm wütete. Aber es war wieder still. Na ja, so still wie das Museum tagsüber eben war. Um genau zu sein war es nicht das erste Mal, dass er heute aufgeweckt wurde. Und um ganz genau zu sein, war es seit ein paar Tagen unmöglich, gemütlich zu schlafen. Ständig stampften zwei oder drei dieser Menschenwesen ganz nah an ihm vorbei und machten dabei einen Lärm, dass selbst die Igel aus dem Winterschlaf aufwachen mussten. Da wurde gelacht und geredet, dann machten sie das große, weiße Tor am Ende der Halle wieder auf und eiskalte Luft strich durch die Räume. Und wenn nicht die Museumsmenschen Radau machten, na dann kamen fremde Menschenwesen, die durch die Räume wanderten und unter vielen Ohs und Ahs und Ahas die ganzen Maschinen und Tafeln bewunderten. Es war ein echtes Kreuz mit diesen Riesen. Und dazu kam, dass er immer Angst hatte, entdeckt zu werden. Nein, das war nicht schön. Der Schieferbeisser war brummelig. Ohne genügend Schlaf, war er ziemlich miesepetrig und da half es auch nichts, dass er den feinsten Schiefer um sich herum hatte. Unausgeschlafen schmeckte der nämlich nur halb so gut. Er hatte sogar schon versucht, sich Schiefer in die Ohren zu stopfen, damit er nichts mehr hörte. Allerdings hatte das so gekitzelt, dass er es nur ganz kurz ausgehalten hatte. Schorsch war ziemlich ratlos. Hier, hinter dem Regal, so gemütlich es auch war, würde er wohl keine Ruhe finden. Und um ganz ehrlich zu sein, er hätte gern auch ein bisschen mehr Platz gehabt. Vielleicht ein Zimmer und ein dreivierteles. Das wäre toll. Der Schieferbeisser beschloss, dass er sich heute Nacht auf die Suche nach einer neuen Bleibe machen würde. Und er hatte da schon so eine Idee.
Kaum hatten die Museumsmenschen die Tür hinter sich abgeschlossen, schlüpfte ein sehr müder Schieferbeisser aus seinem Versteck und machte sich auf den Weg in die mittlere Etage. Die Treppen fielen ihm heute ganz schön schwer und Schorsch kraxelte wie ein Bergsteiger von Stufe zu Stufe. Und als er endlich angekommen war, schnaufte er wie eine kleine Dampflok. Hoffentlich hatte sich die Mühe gelohnt. Er stand vor einem Häuschen im Haus. Schon bei seiner ersten Erkundungstour war ihm das Zimmer aufgefallen, aber bis jetzt war er so beschäftigt gewesen, mit Roten Linien und der Menschenschule und natürlich den Streubla und auch sonst so allerhand, dass er einfach nicht mehr daran gedacht hatte, sich die Stube genauer zu betrachten. Aber heute, da war es ihm siedend heiß wieder eingefallen. Hier würde er sicherlich ein ruhiges, gemütliches Eckchen finden. Der Schieferbeisser nahm sich Zeit und betrachtete sich das Häuschen von außen. Die Menschenwesen hatten sogar die Wände mit Schiefer verziert. Das sah aber schick aus. Und ziemlich lecker. Bis jetzt kannte er nur ein Haus, dass man anknuspern konnte. Und das traute man sich besser nicht. Mit der Alten, die dort wohnte, war nämlich gar nicht gut Kirschen essen. Schorsch schüttelte sich. Hoffentlich wohnte hier niemand, der so grantig war. Ganz vorsichtig knabberte er an dem kleinsten Schiefer an der Wand und wartete ab. Nichts. Das war gut. Also konnte er in Ruhe das Innere der Stube anschauen. Natürlich waren die Möbel alle für die riesigen Menschenwesen gemacht worden. Der Tisch war gleich dreimal so hoch, wie Schorsch und auch auf die Stühle kam er nur mit einem großen Hüpfer.
Ganz hinten im Raum stand ein großer brauner Kachelofen und daneben ein bunt bemalter Schrank. Ein Waschzuber mit Waschbrett, eine Hobelbank und ein Werktisch sorgten dafür, dass das Zimmer ziemlich voll war. Im Vorbeigehen tauchte das Männlein seinen Finger in den leckeren Puderzuckerschiefer, der überall lag. Ein Kienspan und Kerzen standen bereit, um Licht zu spenden. Das wirkte ziemlich gemütlich. Nun ja, bis auf den Holzstaub, der herum lag. Das war aber für den Schorsch kein Problem, denn er räumte gerne auf. Einmal mit dem Reißigbesen aus der Ecke durch den Raum gewirbelt und schon war der Boden blitzeblank. So sah es schon viel ordentlicher aus. Neben dem Tisch stand eine große Wanduhr, die ganz aus Holz war und einen mächtigen Uhrenkasten hatte. Der Schieferbeisser inspizierte sie genauer. Der Kasten war ziemlich geräumig und man konnte die Tür zu machen. Ganz oben gab es ein kleines, herzförmiges Fensterchen durch das Licht hereinfiel. Und auf der einen Seite war er offen, so dass er von dort aus hinter die Holzvertäfelung des Zimmers gelangte. Dadurch hatte er noch mehr Platz. Hier passte der Schieferbeisser ganz bequem hinein. Und wenn er den Uhrenkasten zu machte, dann hörte er mit Sicherheit keinen Lärm. Das waren ja himmlische Aussichten. Schorsch überlegte nicht lange. So schnell es ging, holte er seine Sachen aus dem dritten Fach von links und räumte sie in den Uhrenkasten. Er nahm sich die Kerze von der Fensterbank und stellte sie mit in seine neue Bleibe. Ein paar leckere Schieferstücke, noch schnell einen der dicken Strickstrümpfe, die über dem Kachelofen hingen - Schorsch wollte es ja kuschelig und weich haben und dann schloss er den Kasten hinter sich. Erleichtert seufzte der Schieferbeisser auf. Kein Mucks war zu hören. Er kuschelte sich in seinen neuen Strickstrumpf, deckte sich mit seinem Schal zu und müpfelte noch ein bisschen blauen Lagerstein bevor er tief und fest einschlief. Und wenn man ganz leise war, dann konnte man den Schorsch am nächsten Tag sogar ein bisschen Schnarchen hören. Aber nur um genau dreiviertel vor viertel.
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Wie dem Schieferbeißer ein Licht aufging
Der Schieferbeisser hatte es sich in den letzten Tagen gemütlich in seiner neuen Bleibe eingerichtet. Aus der Schule in der obersten Etage hatte er sich ein gehäkeltes Tuch mitgenommen, das er wunderbar als Teppich benutzen konnte. Das Tuch hatte ein schönes Muster in blau - orange und jemand hatte es an eine der Schreibtafeln geknotet. Aus der Werkstatt hatte er sich Schieferstücke geholt und ein kleines, viereckiges Brett. Daraus hatte er einen kleinen Tisch gebaut. Aus der Tasse, die auf dem großen Tisch vor der Wanduhr stand, hatte er sich ein Vorratsfässchen für Schieferstaub gebastelt.
Die Kerze, die er sich bei seinem Einzug mitgenommen hatte, war wieder aus seiner Wohnung verschwunden. Diese Menschen hatten keine Ahnung, wie man so eine richtig tolle Kerze machte. Kaum hatte er sie angezündet, da war sie auch schon niedergebrannt und der Schorsch saß wieder im Dunkeln. Also hatte er sich auf die Suche nach einer neuen Leuchte gemacht. Also nicht, dass er so ein Licht brauchte. Ein Schieferbeisser sah nämlich im Dunkeln sehr gut. Aber gemütlicher war es mit einer schönen Lampe schon. Zuerst hatte er es mit einem Kienspan versucht. Das ist ein harzreiches Holzstück, das oft aus Fichte oder Tanne oder Kiefer hergestellt wird und früher ganz oft als Lampe genutzt wurde. Der Schieferbeisser hatte den Kienspan gleich vor seiner Wanduhr gefunden und hatte sich schon auf ein gemütliches Licht gefreut. Aber oh weh, oh weh. Der Kienspan hatte geglimmt und geraucht und ehrlich gesagt auch ziemlich gemüffelt, aber sehr hell wurde seine Wohnung nicht. Und das offene Feuer hatte den Schorsch auch ein bisschen nervös gemacht. Deshalb hatte er den Kienspan schnell wieder gelöscht.
Als nächstes hatte er die Öllampe probiert, die neben der Kerze stand. Das war gleich nach hinten losgegangen, denn der Schorsch hatte kein Lampenöl und fand auch im ganzen Museum keines. Schade, denn so eine Öllampe machte ein wirklich tolles Licht! Der Schieferbeisser überlegte hin und her. Er hüpfte in die obere Etage, er hüpfte in die untere Etage, er schaute links, er schaute rechts und tatsächlich, im letzten Raum, fand er etwas Spannendes. Was gab es denn hier zu sehen? In einer Vitrine standen verschiedene alte Leuchten. Interessiert blieb er stehen und betrachtete sich die Sachen genauer. Auf den ersten Blick hätten es Öllampen sein können, aber schon auf den zweiten Blick sah der Schorsch, dass er die Leuchten ganz genau kannte. Er hatte sieben Freunde, die unter Tage arbeiteten und die benutzten solche Karbidlampen. Karbidlampen funktionieren mit einem Trick. Die Karbidsteine befinden sich in einer Kammer, darüber ist eine weitere Kammer mit Wasser. Und wenn dann das Wasser auf die Karbidsteine tropft, entwickelt sich ein Gas, das sehr hell und sehr heiß brennt. Schorsch überlegte ein Weilchen. Sollte er so eine alte Grubenleuchte mitnehmen? Da gäbe es nicht nur Licht, sondern auch eine Heizung für ihn. Aber halt! Seine Freunde hatten ihn immer gewarnt, dass so eine Lampe ganz schön gefährlich sein konnte. Wenn nämlich z.B. die Wasserkammer undicht wurde und zuviel Wasser auf die Karbidsteine tropfte, dann konnte die Lampe wie eine Fackel lichterloh brennen. Und es war gar nicht so einfach, so ein Karbidfeuer zu löschen, denn mit Wasser funktionierte das nicht, da brannte es nur noch größer. Und was passierte, wenn er seine neue Wohnung abbrannte? Oder gleich das ganze Schiefermuseum? Der Schieferbeisser bekam es mit der Angst zu tun. Oh nein, das wollte er auf keinen Fall!
Also ließ er die Grubenleuchten lieber in der Vitrine und machte sich wieder auf die Suche. Vielleicht fand er ja etwas auf den Schreibtischen der Menschen. Auf ging es, durch die Glastür, in den vorderen Bereich des Museums, dorthin wo es die bunten Blätter gab. Oho! Vielleicht gab es auch ein neues Streubla. Nach so einer anstrengenden Lampensuche wäre das eine himmlische Überraschung. Dem Schorsch lief schon das Wasser im Munde zusammen. Aber diesmal fand er auf dem Schreibtisch keine Naschereien. Enttäuscht grummelte er vor sich hin. Also ehrlich, da hätten diese Menschen aber wirklich an ihn denken können. Der Schieferbeisser überlegte noch ein wenig und wackelte dann vor Schreck mit seinem blauen Ohr. Nein, besser doch nicht! Wenn die Menschen an ihn dachten, dann wüssten sie ja über ihn Bescheid. Dann lieber doch kein Streubla. Schorsch schüttelte sich kurz und machte sich dann auf die Suche nach Licht. Er öffnete Schublade um Schublade und kruschelte darin herum. Er fand Streichhölzer, die er einsteckte (man konnte ja nie wissen), er fand allerlei Krimskrams, mehr Papier (vielleicht futterten diese Menschenwesen ja doch Papier) und eine ganze Menge Schlüssel. Aber keine Leuchte. Nun war der Schorsch doch ein bisschen enttäuscht. Das hatte er sich aber anders vorgestellt. Er hüpfte wieder vom Tisch hinunter. Vielleicht sollte er ja doch eine Karbidlampe mitnehmen. Wenn er ganz vorsichtig wäre? Der Schieferbeisser ließ sich auf einen Karton, der am Boden stand, plumpsen. Im Sitzen dachte es sich doch besser nach. Er rutschte nach hinten und lehnte sich gegen die Wand. Also gemütlich war das aber nicht. Irgendetwas drückte in seinen Rücken. Er rutschte hin und her, aber das Ungemütliche rutschte mit. Schorsch machte einen Katzenbuckel und drückte sich fest gegen die Wand. Ha! Mit einem Mal hörte er ein Klicken. Und es wurde hell. Vor Schreck wurde er ganz still und stocksteif und sah ein bisschen aus wie ein Kuscheltier aus Jeansstoff. Waren die Menschen wieder da? Hatten sie ihn entdeckt? Angestrengt lauschte er. Ein paar Minuten später entspannte er sich und traute sich auch, sich wieder ein bisschen zu bewegen. Er hüpfte vom Karton und betrachtete sich genau, was da so leuchtete. Ein langer, runder Stab. Und das Klicken kam von einem Knopf, den er aus Versehen gedrückt hatte. Er drückte wieder darauf und das Licht erlosch. Oha! Der Schieferbeisser juchzte vor Freude. Er schnappte sich den runden Stab und trug ihn zurück in seine Wohnung. Diese Menschenwesen überraschten ihn immer wieder. Eine Lampe ohne Feuer. Mit einem Knopf. Was würde er wohl noch entdecken. Der Schieferbeisser kuschelte sich in seinen Strumpf, deckte sich zu und drückte vor Freude noch mindestens dreiundzwanzig Mal den Knopf seiner neuen Lampe bevor er glücklich und zufrieden einschlummerte.
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Wie es beim Schieferbeißer dicke Luft gab
Puuh, heute war so ein Tag, also wenn es den nicht schon geben würde, man müsste ihn glatt erfinden. Der Schieferbeisser streckte sich genüsslich in seinem Strumpf und drückte auf seinen Lampenknopf. Er war äußerst zufrieden mit sich und der Welt. Seit Tagen hatte er wie ein Stein schlafen können, weil niemand ihn störte. Und unten, in der Werkstatt, da hatte er einen ganz außergewöhnlichen Schiefer gefunden, der so fantastisch schmeckte, dass er jedes Mal schnurrte, wenn er ein Stückchen abbiss. Der Schiefer war rosa und silbern und ein bisschen grün und schmeckte nach Kardamom und Marzipan und Orangenblütenwasser, kurzum wie eine Nascherei aus 1001 Nacht. Schorsch wackelte vor Vergnügen mit seinen beiden Ohren. Dass er einmal solche Köstlichkeiten probieren durfte, das hätte er sich nie träumen lassen. Dieses Schiefermuseum war genau der richtige Ort für ihn, soviel stand fest.
Und der Tag hätte so weitergehen können, wenn nicht, ja wenn nicht eine Tafelmacherstube eben genau das ist, was der Name schon sagt, eine Stube in der Schiefertafeln gemacht werden. Gerade als der Schorsch nämlich noch ein kleines Mitternachtsnickerchen einlegen wollte, fing es an in seiner Nase zu kitzeln. Ganz fürchterlich sogar. Der Schieferbeisser schnüffelte und schnupfte, aber das Kitzeln wurde nur noch schlimmer. Er schüttelte seinen Kopf, krabbelte aus seinem gemütlichen, warmen Strickstrumpf und hüpfte auf dem linken Bein auf und ab. Das half nämlich gegen Kitzeln in der Nase ganz wunderbar. Also normalerweise. Aber heute, da half gar nichts. Der Schieferbeisser nieste einmal und zweimal und dreimal und jedes Mal hüpfte er mit. Vielleicht half Hüpfen ja auch gegen Niesen? Nein, es war nichts zu machen. Seine Nase kitzelte weiter und war auch ganz verstopft. Was war das denn bitteschön? Ein Schieferbeisser konnte gar nicht krank werden. Vielleicht musste er einfach ein bisschen spazieren gehen, dann wurde es bestimmt besser. Schorsch kam aus seinem Versteck und lief in der Tafelmacherstube auf und ab. Oh, oh, oh, hier wurde es aber nur noch schlimmer. Hatschi! Er musste so laut niesen und so hoch hüpfen, dass er sich die Ohren an der Werkbank anstieß. Also das blaue, weil das gestreifte gottseidank ein bisschen kürzer war. Der Schieferbeisser stapfte aus der Tafelmacherstube und lief die große Halle weiter nach hinten. Mmmh, das war aber komisch.
Kaum war er aus der Stube heraus, da atmete es sich gleich leichter. Und das Nasenkitzeln ließ auch nach. Das konnte doch gar nicht sein. Entschlossen ging er wieder auf die Stube zu. Kaum, dass er mit beiden Beinen neben der Werkbank stand, fing es auch schon an zu kribbeln. Der Schieferbeisser dachte angestrengt nach. Er blickte sich in der Stube um und überlegte, was wohl für seine Maladie verantwortlich war. Konnten es die Werkzeuge sein? Oder die Spinnenweben ganz hinten im Eck? Oder vielleicht der Schieferstaub? Schorsch grunzte amüsiert, während er nieste und hüpfte. Als wenn er wegen köstlichem, süßen Schieferstaub niesen müsste. Aber was konnte es dann sein? Er lehnte sich gegen den Fuß der Werkbank und schaute weiter umher. Und während er schaute und nachdachte, regnete es von der Werkbank, die bei jedem Niesen ein bisschen bebte, feinen Holzstaub. Schorsch schaute dem Staub zu, wie er langsam zu Boden segelte. Dem Schieferbeisser ging ein Licht auf. Natürlich! Da hätte er auch eher darauf kommen können. Er hatte Holzschnupfen! So ein Schieferbeisser verträgt Holzstaub nämlich gar nicht gut. Deshalb ist er auch nicht so geschickt im Sägen und Hobeln. Als Stuhl oder Tisch oder Bank, da macht ihm Holz nichts aus, aber als Holzspan oder Schleifstaub, da ist das ganz fürchterlich für ihn. Und in einer Tafelmacherstube, da liegt nun einmal viel Holzstaub, denn die Tafelmacher mussten auch ihre Rahmen selbst herstellen. Dafür holten sie sich das Holz aus dem Wald. Oftmals stahlen sie es sogar, weil sie so arm waren. Daheim, in der Wohn- und Schlafstube wurden die groben Holzstücke dann klein gesägt, glatt gehobelt, mit Nut und Zapfen versehen, zusammengesteckt und verleimt. Und wo gehobelt wird, da fallen Späne. Und es gibt eben Staub. Und genau das vertrug der Schorsch gar nicht.
Damit die Besucher einen Eindruck von der Tafelmacherei erhalten, hat das Museum die Stube so original wie möglich gehalten, auch mit Holzstaub. Von alldem ahnte der Schieferbeisser natürlich nichts. Er sah nur, dass es überall staubig und holzig war und er deshalb niesen musste. Oooh, das machte ihn grummelig. Diese Menschenwesen! Keinen Sinn für Ordnung. Was machten die nur für einen Dreck. Zum Glück stand in der Ecke ein Reisigbesen. Der Schieferbeisser schniefte und schnupfte wie verrückt, während er die Stube ordentlich ausfegte. Hinter dem Schrank, unter der Hobelbank und auf der Werkbank, überall wuselte und putzte Schorsch, so wie es sich für einen ordentlichen Schieferbeisser gehörte. Er stapelte die herumliegenden Rahmen ordentlich auf und kehrte den Holzstaub auf einen großen Haufen.
Das war ziemlich anstrengend und der Schieferbeisser kam ordentlich ins Schwitzen. Es wurde fast schon wieder hell, als er endlich fertig war. Über und über war er mit Holzstaub bedeckt. Zufrieden blickte er sich um und begutachtete sein Werk. So musste eine Stube aussehen. Ordentlich und sauber und kein Stäubchen mehr auf dem Boden. Mmh, jetzt brauchte Schorsch selbst noch eine Grundreinigung und dann sollte ein für alle Mal Schluss sein mit dem doofen Holzschnupfen. Erschöpft aber zufrieden schleppte sich der Schieferbeisser in seine Wohnung. Diese Menschenwesen hatten wirklich Glück, dass er hier eingezogen war. Er gönnte sich noch einen Bissen Orangenblütenschiefer, kuschelte sich in seinen Strumpf und atmete tief ein, bevor er holzschnupfenfrei einschlummerte.
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Wie dem Schieferbeißer ein Kraut gewachsen ist
Der Schieferbeisser war nicht nur grummelig, oh nein! Er war grantig. Und zwar so richtig. Seit einer Woche machte er jede Nacht das gleiche, er putzte in der Stube. Und jede Nacht war er fix und fertig und die Stube war blitzblank. Und wenn er dann einschlief musste er nicht niesen, weil der Holzschnupfen weg war. Jeden Abend aber, wenn der Schorsch aufwachte, war seine Nase wieder verstopft und er nieste wie verrückt. Und wenn er dann aus seiner Wohnung kam, dann wusste er genau was ihm blühte. Diese unsäglichen Menschenwesen hatten die ganze Stube wieder eingestaubt. Grrrr. Die Ohren vom Schieferbeisser kringelten sich und das passierte wirklich, also ganz ehrlich nur dann, wenn er kurz vorm Explodieren stand. Das lange Ohr kringelte sich, das gestreifte war ein bisschen zu kurz zum Kringeln. Hatschi! Schon wieder ein Nieser. Schorsch war verzweifelt.
Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder er hielt den Holzschnupfen aus, oder er zog um. Beides gefiel ihm gar nicht. Er konnte doch nicht für immer eine verstopfte Nase haben. Da schmeckte der Schiefer gar nicht richtig. Und Umziehen? Nein, das wollte er auch nicht. Hier, in seiner Wanduhr war es so schön gemütlich und ruhig und warm. Was sollte er nur machen? Vielleicht könnte er die Menschen vertreiben? Der Schieferbeisser grinste fast ein wenig schauderhaft. Jawohl, das wäre eine Lösung. Aber halt! Wenn keine Menschen mehr ins Museum kämen, dann gäbe es auch keine Streubla mehr. Und vielleicht würden sie auch den ganzen Schiefer mitnehmen. Also doch keine Lösung. Missmutig ließ er sich auf eine Schulbank in der obersten Etage plumpsen. Es gab noch eine dritte Lösung, aber vor der graute dem Schieferbeisser noch viel mehr, als vor dem Holzschnupfen. Undenkbar grauselig war die für ihn, fast so, als ob er für die nächsten fünf und ein Viertel Monate keinen Schiefer essen dürfte. Schorsch schüttelte sich und verzog seine Schnute. Seine Füße kribbelten und seine Fußnägel fühlten sich an, als rollten sie sich nach oben. Es war wirklich eine ganz und gar schreckliche, schauderhafte und fürchterliche Sache, die er da machen müsste. Oooh, wie ihm davor graute. Ein erneutes Niesen ließ ihn von der Schulbank fallen. Aua! Jetzt hatte er sich fast sein blaues Ohr verstaucht.
Nein, so konnte es wirklich nicht weitergehen, dann musste er eben mutig sein. Schorsch richtete sich auf und setzte sein entschlossenstes Gesicht auf. Er holte sich Mütze und Schal und dann ging es nach unten, zum weißen Tor. Mit einem beherzten Sprung hüpfte er zur Klinke und öffnete das Tor. Eisig kalte Nachtluft wehte ihm um die Nase und er kuschelte sich ein bisschen tiefer in seine Mütze. Suchend blickte er sich um. Hier würde er das Teufelszeug nicht finden, er musste auf die andere Seite des Museums, dort wo die Wiese war. Entschlossen stapfte er über die gefrorene Schneeschicht, bis er auf der gegenüberliegenden Seite des Museums angekommen war. Mit seinen Füßen scharrte Schorsch den Schnee auf und schnüffelte. Hier war nichts zu finden. Stück für Stück grub sich der Schieferbeisser eine Spur durch den Schnee, immer weiter, bis er am steilen Hang hinter dem Museum stand. Hier konnte er es riechen. Bäääh. Widerwillig pflückte der Schieferbeisser ein Sträußchen Vogelmiere. Die Vogelmiere ist ein Kraut, das sogar unter dem Schnee wachsen kann und als eines der ersten Wildkräuter im Frühjahr in Suppen und aufs Butterbrot passt. Sie ist eine echte Vitaminbombe und hilft in der Naturapotheke gegen allerlei Beschwerden. Für einen Schieferbeisser war es allerdings das allerschlimmste der allerschlimmsten Geschmäcker. Und deshalb kaute ein Schieferbeisser so eine Vogelmiere auch nur im äußersten Notfall, z.B. wenn er einen hartnäckigen Holzschnupfen hatte. Schorsch stopfte sich noch etwas mehr von dem Kraut in seine Hosentaschen und machte sich auf den Weg zurück ins Museum.
Aber o weh, o weh. Das große weiße Tor war zu. Offenbar hatte es der Wind nicht gut mit ihm gemeint. Vielleicht gab es ja noch einen anderen Eingang. Der Schieferbeisser huschte rund um das ganze Haus und suchte nach einer weiteren Tür die offen war, aber er fand keine. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Da musste er wegen dieser schluderigen Menschenwesen raus in die kalte Winternacht, nur weil die es nicht schafften einen Tag Ordnung in dieser Stube zu halten. Und dann hatten diese Riesen keine gescheiten Türen, die offen blieben. Oh nein! Kaum drehte man diesen Riesentüren den Rücken zu, schon schlugen sie klammheimlich und niederträchtig zu und sperrten arme, verschnupfte Schieferbeisser aus. Es war zum Mäusemelken. Schorsch grummelte und brummelte vor sich hin, während er weiter nach einer Möglichkeit suchte, um wieder ins Warme zu gelangen. Plötzlich hörte er ein leises Rauschen und spürte einen Lufthauch, als hinter ihm etwas sanft im Schnee aufsetzte. Er drehte sich vorsichtig um und blickte direkt in das freundliche Gesicht eines kleinen Kauzes. Schorschs Ohren wackelten vor Freude. Vor ihm stand sein Nachbar aus dem Wald, Kornelius. Na, die Freude war beiderseits und die zwei kleinen Gestalten drückten sich herzlich. Der Schieferbeisser erzählte Kornelius die Geschichte von seinem Häuschen, von seiner Reise und von seinem neuen Zuhause und das Käuzchen war schwer beeindruckt, dass sein Freund so mutig war. Und Kornelius hatte sogar eine Idee, wie der Schieferbeisser wieder ins Museum gelangen konnte. Beherzt packte er Schorsch an den Schultern und erhob sich mit ihm in die Lüfte. Schorsch schaute sich staunend um. So viele Lichter, als würde ein Schwarm Glühwürmchen unter ihm fliegen. Ein paar Augenblicke später setzte Kornelius ihn auf dem Dach des Museums ab, direkt neben dem Schornstein. Noch eine feste Umarmung, ein kleines Sträußchen Vogelmiere von Schorsch als Dankeschön und dann war das Käuzchen verschwunden. Der Schieferbeisser aber krabbelte in den Kamin und rutschte wie der Weihnachtsmann ins Museum. Rauchig, rußig aber glücklich schleppte sich Schorsch in seine Wohnung, kaute ein Blättchen des grauseligen Krautes und schlief endlich holzschnupfenlos ein.
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Wie der Schieferbeißer einen Museumswohlfühltag einlegte
Nach der Anstrengung der vergangenen Tage war der Schieferbeisser ganz schön erschöpft. Der Holzschnupfen war zwar erledigt - Vogelmiere sei dank - aber die ganze Aufregung steckte ihm noch in den Knochen. Sein gestreiftes Ohr hatte von dem ganzen Niesen richtig Muskelkater und sein Rücken fühlte sich an, als ob er eine riesige Schieferplatte herumtragen würde. Das war gar nicht schön. Ziemlich müde knusperte er an einem Stückchen blauen Stein, während er überlegte, was er machen könnte, damit er ein bisschen entspannte. Wenn er jetzt in seinem Häuschen im Wald wäre, hätte er ein heißes Bad genommen und vielleicht noch eine kleine Fußmassage auf seinem Kieselsteinteppich genossen. Aber eine Badewanne hatte er hier nicht und auch keinen Kieselsteinteppich. Was sollte er also machen? Schorsch überlegte hin und her. Er hätte gerne eine Rückenmassage. Und vielleicht auch eine Kopfmassage. Mmmh, in so einem Museum sollte doch etwas zu finden sein, oder? Der Schieferbeisser krabbelte aus seiner Wanduhr und blickte sich in der Tafelmacherstube um.
Ganz hinten im Eck stand ein großer Holzbottich mit einem Waschbrett. Die metallenen Rillen waren eigentlich dazu da, um Wäsche sauber zu kriegen, aber der Schorsch dachte sich, dass die sich bestimmt auch prima dazu eigneten, um seinen Rücken zu massieren. Er kletterte auf den Waschzuber und hängte sich kopfüber an das Waschbrett. Oooh, das fühlte sich aber gut an. Er merkte richtig, wie seine Muskeln durchgeknetet wurden. Also ein kleines bisschen zumindest, denn so eine Schieferbeisserhaut ist ziemlich dick und unempfindlich. Vielleicht ging das ja noch besser. Schorsch marschierte aus der Stube und ging eine Etage tiefer, dort wo die Maschinen standen. Er hatte sich erinnert, dass es hier den Apparat gab, der die Linien in die Tafel ritzte. Mit dem konnte man ganz bestimmt sehr gut einen Rücken massieren. Wie ein Fakir, der auf einem Nagelbrett sitzt. Die spitzen Zinken waren klasse und Schorsch fühlte sich fast so, als würde er eine Igelpunktur bekommen.
Genüsslich drückte er seinen Rücken gegen die Spitzen. Hach! Er fühlte sich schon viel entspannter. Jetzt fehlte nur noch jemand, der seinen Rücken richtig durchknetete. Der Schieferbeisser schaute sich um. Da vorne standen Maschinen, die den Schiefer anscheinend dünner und glatter geschliffen hatten. Mmh, nein, da passte er nicht durch. Und da, gleich neben ihm, stand noch eine Maschine mit zwei Rollen, die die Schieferplatten an den Kanten noch dünner geschliffen hatte. Auch hier passte er nicht hinein. Sein Blick fiel auf einen riesigen grünen Kasten. Die Rahmenschleifmaschine war dazu da, um die Holzrahmen, die an die Schiefertafeln angebracht waren, nochmals glatt zu schleifen. Schorschs blaues Ohr wackelte interessiert. Er legte seinen Kopf schief und musterte den Kasten genauer. Konnte das funktionieren? Wenn er sich die Apparatur genau anschaute, dann sah er unter der Abdeckung zwei große Rollen. Der Abstand war größer als bei den anderen Maschinen, hier würde er gut durchpassen. Mmmh, das musste er ausprobieren. Er hoppelte einmal um das große Gerät herum. Da! Da unten gab es einen großen Knopf. Mal sehen, was passierte, wenn er den drückte.Beherzt presste der Schieferbeisser auf den Knopf, der gleich grün zu leuchten begann. Der große Kasten rumpelte und grumpelte und dann begann mit einem Ruck das Band zu laufen, auf dem die Tafeln unter den Schleifrollen hindurchliefen. Der Lärm erschreckte Schorsch und er war aus Vorsicht erst einmal drei Schritt zurück gehüpft. Nachdem aber nichts explodierte und auch nichts aus dem Kasten gesprungen kam um ihn aufzufressen, trat er wieder näher heran. Er schaute den Tafeln zu, die langsam unter der Abdeckung verschwanden, nur um am anderen Ende wieder herauszukommen. Klirr. Die ersten beiden Schiefertafeln waren auf den Boden geknallt und dabei zerbrochen. Huch! Schorsch beeilte sich, um die restlichen Tafeln vom Band zu nehmen, damit nicht noch mehr zerbrachen. Vorne legte er sie wieder auf’s Band, damit keiner merkte, dass er die Maschine eingeschaltet hatte. Er nahm seinen Mut zusammen, es war an der Zeit die Maschine auszuprobieren. Er kletterte auf das Fließband, legte einige Tafeln darauf und legte sich direkt daneben. Langsam nahm ihn das Band mit unter die Rollen. Und was war das für ein Hochgenuss! Die Rollen kneteten den Schieferbeisser durch, besser hätte es kein Profi geschafft.
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Wie der Schieferbeißer den Museumsdreikampf erfand
Trapp, trapp, trapp. Schorsch lauschte den leiser werdenden Schritten der Museumsmenschen. Vorsichtshalber wartete er noch ein bisschen, bis er ganz sicher sein konnte, dass er wirklich alleine im Museum war. Dann erst schälte er sich aus seinem Strickstrumpf und seinem Schal und wagte sich aus seiner Wanduhr. In den letzten Tagen hatte er sich einen kleinen Aufzug gebastelt, den er mit einem Seil bediente. So kam er ganz bequem zum Uhrenkasten hinaus. Auf seine Erfindung war er ziemlich stolz und so grinste er vom blauen bis zum gestreiften Ohr, als er in der Tafelmacherstube stand und sich überlegte, was er heute erkunden wollte.
Schorsch hüpfte aus der Stube und ging in die große Halle hinein, die hinter seiner Stube begann. In der Mitte und an den Wänden standen lange Reihen von Glaskästen auf hohen Beinen. Was da wohl drin war? Der Schieferbeisser reckte sich und streckte sich, um einen Blick zu erhaschen, aber er war einfach ein bisschen klein. Selbst wenn er sich auf seine Fußzehen stellte und sein blaues Ohr ganz lang machte, es langte einfach nicht. Schorsch begann zu hüpfen. Vielleicht schaffte er es ja so auf die Kästen drauf zu hopsen. Wie eine Sprungfeder drückte er sich ab und sprang so hoch er konnte. Einmal und noch einmal und noch einmal. Der Schieferbeisser fühlte sich ein bisschen wie ein Schneefloh, die hüpften auch und waren zu klein, um irgendwo hoch zu kommen. Mmh, also so funktionierte das nicht. Dann würde er wohl hochklettern müssen. Das hätte er ja auch gleich probieren können. Der Schieferbeisser versuchte an einem Bein des Kastens hoch zu kraxeln. Es klappte nicht. Das Metall war so glatt, dass er immer wieder abrutschte. Er probierte es am ersten, am zweiten, am dritten und am vierten Bein. Überall das Gleiche. Als Schorsch feststellte, dass das so nicht funktionierte war er schon ganz schön aus der Puste. Hui, er musste erst einmal ein bisschen verschnaufen und ein, zwei Bissen zur Stärkung nehmen. Da hinten im Eck stand ein hölzernes Maschinenungetüm und dort konnte der Schieferbeisser auch große Schieferbrocken erkennen. Schorsch ging die wenigen Schritte und wollte eine dünne Platte abbrechen. Irgendetwas war komisch. Der Schiefer brach gar nicht in Platten. Wo gab es denn sowas? War das überhaupt Schiefer? Schorsch schnupperte an dem hellgrauen Stein. Ja, das roch nach Schiefer, ganz bestimmt. Der Schieferbeisser biss ein bisschen fester mit seinem großen Zahn zu und knabberte ein Stäbchen ab. Ein Stäbchen? Schorsch probierte das nächste Stückchen und auch das brach wieder genauso. Seltsam. Dafür schmeckte der Schiefer trotzdem sehr fein. Ein bisschen wie eine Bratwurst in einer frischen Semmel. Lecker! Und so schön weich waren diese Schieferstäbchen, viel weicher als sein blauer Stein. Der Schieferbeisser schaute sich um.
Die Holzmaschine hatte ein großes Pedal und oben ein schweres, dickes Brett, das mit dem Fußhebel verbunden war. Vorsichtig trat Schorsch auf das Pedal und stellte fest, dass das ziemlich schwer ging. Er musste sich mit beiden Füßen darauf stellen und fest hüpfen, um den Hebel nach unten zu drücken. Und da blieb er dann nicht. Mit einem Ruck schnellte das Pedal zurück nach oben und schleuderte den Schorsch in die Luft. Das war ja fast wie ein Katapult! Schorschs Ohren wackelten ganz aufgeregt. Er hatte eine Idee. So würde er oben auf die Glaskästen kommen. Mit einer Schieferbeisser-Schleuder. Er hüpfte ein paarmal auf und ab, bis er durch das Pedal gaaaanz hoch in die Luft gewirbelt wurde und dann mit einem dreifachen Luftpurzelbaum sicher auf dem Glaskasten landete. Juhu! Neugierig schaute Schorsch durch das Glas. Seine Augen wurden ganz groß. Da lagen ja ganz viele runde Stäbchen in den verschiedensten Längen. Die kannte er aus dem Klassenzimmer. Das waren die Stifte, mit denen die Menschen auf die Schiefertafeln schrieben. Diese Stäbchen musste er sich genauer anschauen. Schorsch schob den Deckel des Glaskastens weg und quetschte sich durch die schmale Lücke ins Innere der Vitrine. Aha. Die runden Stäbchen rochen genau so, wie der Schiefer, den er vorhin geknuspert hatte. Jetzt ging ihm ein Licht auf. Dieser Bratwurstschiefer war viel weicher als der Schiefer, den die Menschen für die Tafeln verwendeten, und deshalb konnte man mit dem Bratwurstschiefer auch auf dem anderen schreiben. Und weil er nicht wie eine Platte, sondern wie ein Stäbchen brach, konnten die Menschen ganz einfach einen Stift daraus machen. Und das Allerbeste? Er schmeckte auch noch so lecker! Da musste er sich die Hosentaschen auf jeden Fall voll packen, damit er später noch ein paar so Knabberstäbchen auf Vorrat hatte.
Während er so nachdachte fiel sein Blick auf ein riesiges, unglaublich schönes, glattes, geradezu perfektes Stäbchen. Stäbchen war vielleicht falsch, denn es war schon ein richtiger Stab, der sogar ein bisschen größer als er selbst war. Wunderbar! Den musste er haben. Schorsch packte den langen Stab und schleppte ihn mit aus der Vitrine. Fast wäre er nicht mehr aus dem Glaskasten herausgekommen und als er es endlich geschafft hatte, stand Schorsch vor einem ziemlichen Problem. Wie sollte er um Himmels Willen denn wieder auf den Boden kommen? Er konnte nirgends herunterrutschen und zum Springen war es zu hoch. Er musste zurück auf die hölzerne Maschine hüpfen. Aber mit einem Sprung schaffte er das nie. Da brauchte er Hilfe. Sehnsüchtig betrachtete er den großen Stab. Hach, wie gerne hätte er ihn mitgenommen. Aber wenn er von der Vitrine herunterkommen wollte, dann musste der Stab leider hier bleiben. Der Schieferbeisser schnappte sich den Stab, nahm Anlauf, schraubte sich in die Luft und sprang dann in bester Waldhochsprung-Tradition in hohem Bogen auf die hölzerne Maschine. Uff. Jetzt hätte er eine von diesen dicken Matten gebraucht, damit man sanft aufsetzte. Der große Schieferstift, den er für den Hochsprung gebraucht hatte, klirrte auf den Glaskasten und blieb dort einsam zurück. Wenigstens hatte er die Stäbchen in seinen Taschen retten können. Ein letzter wehmütiger Blick zurück, dann zog es den erschöpften, aber glücklichen Schieferbeisser in seine Wohnung, wo er sich genüsslich noch einen Bratwurstschiefer genehmigte und von dreifachen Luftpurzelbäumen und Sprungrekorden träumte. -
Wie der Schieferbeißer den Katerjammer kennenlernte
Es war einer dieser Abende, an denen der Schorsch ein bisschen Heimweh hatte. Er war heute nämlich tagsüber von einer ganzen Menschengruppe aufgeweckt worden, die durch sein Museum getrampelt war. Freilich mochte er das Schiefermuseum und seine Wanduhrwohnung. Und natürlich gab es knusperleckeren Schiefer und viele Abenteuer, die er erleben konnte. Trotzdem fehlte ein bisschen etwas. Hach! Ein lauter Seufzer entfuhr dem Schieferbeisser. Wie schön war sein Kamin, der lustig knackte und knisterte und seine Stube schön wärmte. Und was für ein Spaß war es gewesen, wenn Kornelius oder Felix oder ein anderer seiner Freunde vorbei kamen. Karten hatten sie gespielt, oder Brombeeren gefuttert. Und im Winter hatten sie oft einen heißen Blaubeersaft mit Honig geschlürft. So ein Saft ist sehr gesund, weil Blaubeeren ganz viel Kalzium und Vitamin C enthalten. Und Kalzium braucht der Schieferbeisser, damit seine Zähne schön fest und gesund sind. Ein Schieferbeisser mit Löchern in den Zähnen ist nämlich ganz arm dran, weil das Schieferknabbern nur mit gesunden Zähnen Spaß macht.
Blaubeersaft! Schorsch seufzte wieder. Lecker! Die Menschen, die ihn aufgeweckt hatten, hatten den würzigen Duft von Heidelbeeren mit sich gebracht. Je länger er darüber nachdachte, umso mehr gelüstete es ihn.
Vielleicht hatten die Menschenwesen ja etwas Ähnliches? Wenn er nur ein Gläschen bekommen könnte, dann ginge es ihm gleich besser und sein Heimweh wäre gar nicht mehr so schlimm. Schorschs Entschluss stand fest. Auf ging es, die Treppe nach unten, an den Maschinen vorbei und durch die Glastür. Na, ob diese Papierfresser wirklich Saft mochten? Er war sich da nicht mehr ganz so sicher. Genau in dem Moment wehte ein ganz leiser Hauch Heidelbeeraroma an ihm vorbei. Schorsch schnüffelte angestrengt und beschloss dann seiner Nase zu folgen. So ein Schieferbeisser kann nämlich ganz ausgezeichnet riechen. Besonders wenn es um Sachen geht, die ihm schmecken. Der Schieferbeisser folgte dem Heidelbeeraroma wie ein Spürhund der Fährte. Und er musste sich ganz schön konzentrieren, um sie nicht zu verlieren. Sein gestreiftes Ohr zitterte vor Anstrengung. Der Duft führte ihn zu einer Tür die ihm vorher nie aufgefallen war. Hier wurde der Geruch nach Blaubeeren stärker. Aha! Er war also auf der richtigen Spur. Vorsichtig drückte er die Klinke nach unten. Man konnte ja nie wissen was hinter so einer großen Tür lauerte. Kobolde oder Riesen vielleicht. Brrr, Schorsch schüttelte sich bei der Vorstellung an diese gruseligen Wesen. Die Tür schwang langsam auf und Schorsch spitzte zaghaft um die Ecke. Er sah einen Stuhl, ein Waschbecken aus Porzellan und in der Ecke einen hohen schmalen Schrank. Auf dem Stuhl standen bestimmt 15 große Tassen verkehrt herum. Und unter dem Stuhl standen zwei große grüne Flaschen und schnell erkannte der Schieferbeisser, dass das Heidelbeeraroma von diesen beiden ausging. Neugierig tapste er näher. Jawohl, genau von hier kam der leckere Duft. Er roch Frucht und Gewürze wie Nelken, Kardamom und Zimt. Mmmh, da lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Er hatte seinen Saft auch immer ein bisschen mit wilder Minze und getrocknetem Waldmeister gewürzt, aber auf die Idee mit solchen exotischen Sachen, nein da wäre er nie darauf gekommen. So ein fränkischer Schieferbeisser ist nämlich normalerweise nicht sehr experimentierfreudig. Schorsch aber hatte in den letzten Wochen so viele neue Sachen entdeckt, dass er nicht lange nachdachte und sich die fast volle Flasche von dem Heidelbeersaft schnappte. Er drehte den Verschluss auf und nippte vorsichtig. Oh. Das schmeckte aber anders als sein Blaubeersaft. Die Gewürze waren ganz schön intensiv und außerdem war der Saft sehr süß. Ein leicht scharfer Nachgeschmack verwirrte Schorsch ein bisschen, aber das war wahrscheinlich ein Gewürz, das er nicht kannte. Auf jeden Fall war das Getränk sehr lecker, auch wenn er es nicht warm machen konnte. Hach! Fast fühlte er sich ein bisschen wie in seinem Häuschen im Wald. Der Schieferbeisser trank Schlückchen um Schlückchen und ihm wurde wärmer und wärmer ums Herz. Und um ehrlich zu sein wurde ihm auch ein bisschen schwindelig. Und einen Schluckauf hatte er auch. Der Schieferbeisser umarmte seinen neuen grünen Freund mit dem er sich nun schon eine ganze Weile unterhielt. Der war zwar ein bisschen schweigsam, aber das machte ihm nichts. Er hatte ja selbst so viel zu erzählen, von den Abenteuern der vergangenen Monate. Konnte es sein, dass der Heidelbeersaft vielleicht nicht mehr ganz in Ordnung war? Ihm wurde so schwummerig und mit dem Laufen klappte es auch nicht mehr so. Gerade hatte der Schieferbeisser versucht auf einem Bein zu hüpfen und war dabei auf sein gestreiftes Öhrchen gefallen. Also wie diese Menschenwesen bei diesem glatten Boden nicht ständig ausrutschten und hin fielen, es war ihm ein Rätsel. Der Schieferbeisser kicherte bei dem Gedanken von umherkegelnden Menschen. Und beim Tappen und Denken wurde er ganz müde. Vielleicht war ja ein Mohn mit im Saft gewesen. Der machte ihn immer ganz kusselig. Er würde sich erst einmal ein bisschen ausruhen, bevor er weitere Abenteuer…
Weiter kam Schorsch nicht mehr mit seinen Gedanken, denn er war mitten im Satz tief und fest eingeschlummert. Ein lautes Schnarchen hallte durch die Museumsräume, fast so als würde die Säge für die Holzrahmen in Betrieb sein.
Lautes Schlüsselklirren und noch lautere Menschenstimmen weckten Schorsch aus seinem Schlaf. Verwirrt blickte er sich um. Das war aber nicht seine Wanduhr! „Aua!“, war sein nächster Gedanke, denn er hatte ganz fürchterliche Kopfschmerzen. Oh weh, oh weh, also war der Saft doch schlecht gewesen. Das fühlte sich aber nicht gut an.
Die Menschenstimmen kamen näher. Er musste sich verstecken und zwar schnell. Wo war seine Wanduhr überhaupt? Und wo war er? Suchend blickte sich Schorsch um. Durch zusammengekniffene Augen sah er schließlich im allerletzten Moment sein Versteck. Er rappelte sich auf und huschte in seine Wanduhr. Puuh, gerade noch rechtzeitig. Erleichtert ließ sich Schorsch auf seinen Strickstrumpf fallen. Er würde noch ein bisschen schlafen. Vielleicht so ein, zwei Stunden. Oder Tage.
Und auf Heidelbeersaft hatte er im Moment so gar keine Lust mehr.
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Wie der Schieferbeißer die Falle verfehlte.
Spannung lag in der Luft. Irgendwie anders als sonst. Die Stille des Museums wirkte heute unheimlich und das Dunkel der Nacht fühlte sich beklemmend an. Selbst die üblichen Geräusche, das Trippeln der kleinen Maus und das mechanische Zünden der Gasheizung klangen gefährlich. Dichtes, undurchdringbares Schwarz kroch in jede Ecke und füllte jeden Winkel der Stube. Fast, als würde ein dunkler, alles umhüllender Nebel durch die Gänge des Schiefermuseums wabern. Man konnte die Hand vor Augen nicht erkennen. Der Schieferbeisser spürte es genau, heute war eine ganz besondere Nacht. Schon heute Nachmittag hatte eine komische Atmosphäre geherrscht. Dumpfes Lachen und nervöses Gekichere hatten ihn aus dem Schlaf aufschrecken lassen. Zwei ihm mittlerweile bekannte Menschenstimmen waren es, die verdächtig nahe an der Wanduhr zu hören waren. Er hatte ganz ruhig gelegen und keinen Mucks von sich gegeben. Es hatte ein ganzes Stück gedauert, bis er wieder einschlafen konnte und selbst dann hatte er sich unruhig hin und her gewälzt. Trotzdem, jetzt, als der letzte Mensch das Museum schon vor einer ganzen Weile verlassen hatte und die nächtliche Ruhe eingekehrt war, fühlte der Schieferbeisser zum ersten Mal, dass er wirklich ganz alleine hier war. Niemand konnte ihn hören, selbst wenn er um Hilfe rufen würde. Ihm wurde kalt bei dem Gedanken.
Vorsichtig schälte er sich aus seinem Bettchen und schlich auf Zehenspitzen zu seinem Aufzug. Lautlos zog er sich damit nach oben und verharrte eine ganze Weile hinter dem Türchen der Wanduhr. Millimeter für Millimeter schob er die Tür einen Spalt breit auf, gerade soviel, um einen Blick ins Dunkel werfen zu können. Nichts. Der Schieferbeisser konnte es sich nicht erklären, aber er wusste instinktiv, dass ihm heute Nacht Gefahr drohte. Er kniff die Augen zusammen und starrte angestrengt in die Schwärze. Es war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Mmmh, vielleicht spielten ihm seine Sinne einen Streich? Nein. Auf keinen Fall. Irgendetwas lauerte auf ihn. Schorsch lauschte, ob er etwas Ungewöhnliches hören konnte, doch zunächst klang das nächtliche Museum so wie immer. Altes Holz, das knarrend seine Geschichte flüsterte, Schiefer, der leise ächzte und natürlich das Haus selbst, das wie ein lebendiges Wesen mit dem Wind sprach. Der Schieferbeisser hörte genauer hin. Seine Ohren wurden pfeilgerade und das lange Blaue streckte sich noch ein bisschen länger. Und plötzlich hörte er es. Dieses hohe, feine Knistern. Für jedes andere Ohr unhörbar, aber nicht für Schorsch. Elektrisch klang es, fast wie die Sekunde vor einem Blitz. Und irgendwo hatte er das auch schon einmal gehört. Nur wo? Er überlegte angestrengt.
Und dann traf es ihn. Natürlich kannte er dieses Geräusch! Sein Freund Felix der Fuchs hatte ihm so ein Ding schon einmal gezeigt. Aha, jetzt wurde ihm einiges klar. Sein Heidelbeerabenteuer von letzter Woche schien nicht ohne Konsequenzen geblieben zu sein. Er hätte sich am liebsten selbst ins Ohr gekniffen, so ärgerte er sich über seine Unachtsamkeit. Da hatte er die Saftflasche liegen gelassen, weil ihn die Menschen überrascht hatten. Und dafür musste er jetzt büßen. So ein Mist aber auch! Schorsch grummelte vor sich hin. Verflixt und zugenäht, jetzt musste er dieses Ding finden, damit er nicht noch mehr Aufmerksamkeit erregte. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und spitzte durch das Herz seiner Wanduhrtür. Sein Blick schweifte suchend von links nach rechts und von oben nach unten. Es dauerte eine ganze Weile und er sah schon Herzchen und Sternchen vor seinen Augen, aber dann erspähte er den Übeltäter. Neben den Eingang zum Raum, unter den Stuhl hatten sie das Ding gestellt. Diese Menschenwesen waren wirklich hinterhältig. Ganz langsam öffnete der Schieferbeisser seine Wanduhr und krabbelte heraus. Er blieb hinter den Möbeln in der Stube, damit er bloß nicht aus Versehen in die Falle tappte. Von der einen Seite der Stube gelangte er in Zeitlupe zur anderen. Dort schob er das hintere Fenster auf und kletterte hinaus. So konnte er sich dem Teufelskasten von hinten nähern. Von da ging nämlich keine Gefahr aus. Felix hatte ihm damals so einen Kasten im Wald gezeigt. Um zu beobachten, welche Tiere im Wald zu Hause sind, stellen Menschen diese Kästen auf. Ins Blickfeld legen sie Naschereien aus. Wenn dann ein Tier dort hin läuft, um etwas zu fressen, dann schnappt die Falle zu und der Kasten macht ein Bild. So können Menschen kontrollieren ob vielleicht seltene oder scheue Tiere im Wald wohnen. Felix hatte sich einen Spaß daraus gemacht. Wenn man nämlich an so einem Kasten schnell vorbeiflitzte, dann konnte sie einen nicht aufnehmen.
Das einzige, das die Menschenwesen dann sahen, war ein Bild von der Landschaft. An all das dachte der Schorsch, als er sich das braun gemusterte Kästchen betrachtete. Er musste wirklich besser aufpassen und seine Spuren im Museum zukünftig noch besser verwischen. Nachdenklich blickte er sich um. Und mit einem Mal überzog ein schelmisches Grinsen sein Gesicht. Sein großer Zahn blitzte vor Freude. Vielleicht konnte er ja ein bisschen Schabernack mit dem Kasten treiben. Wenn die Menschen Bilder haben wollten, dann konnten sie welche haben. Hoffentlich gruselten sie sich so richtig. Schorsch kletterte zurück in die Stube, schnappte sich den Reisigbesen, der dort in einer Ecke stand und schleppte ihn mit aus der Stube. Ganz vorsichtig legte er das Kästchen um, so dass die Rückseite nach oben zeigte. Dann drapierte er den Besen so, dass der Kasten ihn aufnehmen musste. Er stellte das Kästchen wieder hin, nahm Anlauf und flitzte dann so schnell er konnte vor ihm vorbei. Eine klitzekleine Unterbrechung im Knistern sagte ihm, dass der Kasten ein Bild aufgenommen hatte.
Hi, hi, wenn dem Schieferbeisser Teufelshörner hätten wachsen können, in diesem Moment hätten sie es getan. Wieder legte er den Kasten um, bevor er den Reisigbesen zurück in die Ecke räumte. Und wieder rannte er danach vor den Bewegungssensor, damit ein Bild aufgenommen wurde. Und wenn der Kasten Tonaufnahmen gemacht hätte, dann wäre ein tiefes, knarriges Kichern zu hören gewesen, denn der Schorsch hatte einen Heidenspaß dabei. Jetzt wo er wusste, was diese hinterhältigen Menschenwesen geplant hatten, hatte sich sein komisches Gefühl gelegt. Er stromerte durchs Museum, lauschte, ob er das feine Knistern des Kastens noch irgendwo anders hörte und knusperte hier und da noch an einem Schiefer. Der Kasten vor der Stube war der einzige im ganzen Haus. Ha! Da hatte er die Menschen gut ausgetrickst. Zufrieden machte er sich auf den Weg zurück in seine Wanduhr. Bevor er aber dorthin verschwand, zog er noch die Schublade eines großen Kastens auf. Hoffentlich gruselten sich diese vermaledeiten Menschenwesen so richtig. Sollten sie ruhig denken, dass es spukte. Wer einen Schorsch austricksen wollte, der musste schon früher aufstehen! Und mit diesem Gedanken verzog sich der Schieferbeisser wieder in seine Wohnung. Hier würde ihn so schnell niemand finden. Auch mit 100 Kästen nicht.
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Wie der Schieferbeißer dem Osterhasen half, Teil 1
“Hach ja!”, der Schieferbeisser seufzte genießerisch. Obwohl es draußen schneite und schneite, wusste er es genau, bald begann der Frühling. Schorsch freute sich so sehr darauf, dass es wärmer wurde und die Natur endlich aus ihrem Winterschlaf erwachte. Der Frühling war eine seiner vier Lieblingsjahreszeiten, weil dann alles neu und frisch war. Blumen begannen wieder aus dem Boden zu sprießen, allen voran das Schneeglöckchen. Und die Fichten bekamen feine, grüne Spitzen aus denen man wunderbaren Honig kochen konnte. Ganz beschwingt hüpfte Schorsch durchs Schiefermuseum, knabberte einmal hier und knusperte einmal dort am Schiefer und war in einer ganz ausgezeichneten Stimmung. Und während er durch sein Museum strich, fiel ihm etwas wohl Bekanntes auf. Überall lagen kleine Schokoladeneier und andere Süßigkeiten herum. Und dazwischen fand er immer wieder Häschenfiguren. So,so. Da feierten diese Menschenwesen also auch im Schiefermuseum Ostern. Schorsch schnappte sich eine Nascherei. Und während er genüsslich darauf herum kaute, dachte er an einen Frühling der schon ein bisschen her war. Ein großes Lächeln erschien in seinem Gesicht. In diesem Frühling, der schon ein bisschen her war, da hatte er Gloria der Osterhäsin ganz schön geholfen. Um genau zu sein, ohne ihn hätte es in diesem Jahr, das schon ein bisschen her war, kein Ostern gegeben. Und die Geschichte ging so:
“Puuh, bin ich geschafft!”, Gloria schüttelte ihre langen Öhrchen und mümmelte erschöpft an einer quietschorangenen Möhre. “Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie viel noch zu tun ist. Gottseidank helfen mir die Elfen beim Ostereierfärben.” Schorsch und Felix nickten verständnisvoll. Gloria war als leitende Osterhäsin für alle Osternestchen im ganzen Frankenwald verantwortlich. Da kame ganz schön viele Körbchen zusammen. Jedes Kind bekam am Ostersonntag bunte Ostereier. Die Eier mussten angemalt und danach noch gut versteckt werden. Und wenn man ein bisschen überlegte, dann reichten weder zwei Hände, noch vier Pfoten um auszurechnen, wie viele Eier man da brauchte.Unruhig klopfte die Häsin mit den Hinterpfoten auf den Boden. “Wo bleibt denn nur die Elfe für den grünen Osterzauber?” Alle anderen Elfen waren schon fleißig. Blaue, orange, gelbe und rote Ostereier stapelten sich rund um die drei Freunde und wurden mehr und mehr. Nur die grünen fehlten eben noch. Das sah der Elfe so gar nicht ähnlich, denn gerade beim Osterzauber waren nur ganz fleißige und pünktliche Elfen dabei. Da! Da hinten hinter dem höchsten Eierstapel kam ein junges Elflein angehetzt. Schnaufend kam es vor den Freunden zum Stehen. “Entschuldigung, Frau Osterhäsin.”, piepste es mit feinem Stimmchen. “Meine Schwester ist krank, deshalb springe ich für sie ein.”
Gloria blickte alarmiert. Eine so junge Elfe mit so viel Verantwortung? Na hoffentlich klappte das. Das kleine Elflein baute sich vor den ungefärbten Ostereiern auf und schwang seinen Zauberstab. Konzentriert murmelte es vor sich hin. Nichts passierte. Gloria beobachtete das Treiben besorgter und besorgter. Nach einiger Zeit räusperte sie sich und fragte ganz vorsichtig: “Kannst Du denn überhaupt Ostereier färben?”. Das Elflein schreckte auf und drehte sich um. Und da passierte es. Ein grüner Blitz schoss aus dem Zauberstab und traf Gloria direkt auf der Nase.Schorsch musste blinzeln, weil der Blitz so hell und so grün war. Als er wieder scharf sehen konnte, sah er Felix und die schreckerstarrte Elfe und viele Eier, von denen keines grün gefärbt war. Was, oder besser gesagt wen er nicht sah, war Gloria. Schorsch blickte sich um. Keine Spur von der Osterhäsin. Ratlos schaute er das kleine Elfenmädchen an. “Was ist denn mit Gloria passiert?” Das Elflein wurde purpurrot und stotterte und prustete: “Ich weiß… und eigentlich… und na ja… aber… und jetzt… Südsee.” Der Schieferbeisser und Felix warfen sich einen erschrockenen Blick zu. “Südsee? Was meinst Du mit Südsee?”, Schorschs Stimme klang alarmiert. Die Antwort der Elfe war kaum vernehmbar, gottseidank kann so ein Schieferbeisser ganz ausgezeichnet hören. “Was?! Du hast Gloria in die Südsee gezaubert? Hol sie sofort zurück!”, Schorsch war fassungslos. Das Elflein sank noch weiter in sich zusammen und wäre wohl am liebsten ganz im Erdboden versunken, als es erklärte, dass das nicht so einfach war. Und dass auch keine andere Elfe Gloria zurück zaubern konnte. Oh, oh. Das war nicht gut. Was sollte denn jetzt aus Ostern werden? Felix und Schorsch überlegten hin und her. Was sollten sie nur ohne die Chefosterhäsin machen? Wer sollte all die Eier verstecken? Sie konnten doch Ostern im Frankenwald nicht einfach ausfallen lassen! Die anderen Osterhasen waren auf der ganzen Welt verteilt und jeder von ihnen hatte seinen eigenen Bereich, in dem Ostereier versteckt werden mussten. So schnell konnten sie auch keinen Ersatzchefosterhasen anfordern. Die Osterhasengewerkschaft war ein ganz schön komplizierter Apparat und brauchte viel zu lang für solche Sachen. Da wäre Ostern vorbei, bis die eine Vertretung schicken würden. Was sollten sie also tun? Es war zum Verzweifeln. Fast hätten sie aufgegeben, da hatte Schorsch plötzlich eine Idee. Er wandte sich an das kleine Elflein, das immer noch schreckstarr vor ihm stand. “Kannst Du 7-Meilen-Stiefel zaubern?”. Ein breites Grinsen leuchtete auf dem Gesicht der Elfe auf. “Ich bin der Meister der 7-Meilen-Stiefel. Keine Elfe im ganzen Frankenwald kann so schnelle 7-Meilen-Stiefel zaubern wie ich.” Schorsch wackelte vergnügt mit seinen Ohren. “Das ist super! Felix, Elflein, kommt her. Ich habe eine Idee!”
Und gespannt hörten die beiden zu, als der Schieferbeisser seinen Plan erklärte.Als Schorsch seinen Plan dem Fuchs und der Elfe erklärt hatte, schaute er die beiden erwartungsvoll an. “Und? Was denkt ihr?” Lange sagten die beiden nichts, dann nach einer gefühlten Ewigkeit räusperte sich Felix geräuschvoll, bevor er zu sprechen begann: “Schorsch, manchmal machst Du mir fast ein bisschen Angst. Das ist eine geniale Idee! Hoffentlich machen alle mit.” Das Elflein nickte begeistert und der Schieferbeisser wackelte vor Erleichterung mit seinem gestreiften Öhrchen. Gemeinsam würden sie das schaffen, da war er sich sicher. Die Freunde eilten in verschiedene Richtungen, jeder mit einer anderen Aufgabe vor sich. Das Elflein zauberte zuerst einmal flitzeschnelle 7-Meilen-Stiefel, vier Stück an der Zahl. Die Stiefel zog sich Felix an die Pfoten und rannte schnell wie der Wind in Richtung Norden. Wie ein roter Blitz zog er übers Land und verschwand am Horizont. Schorsch stapfte zu den Farbzauberelfen und trommelte sie zusammen. Er erklärte ihnen was passiert war und die Elfen schnatterten vor Schreck alle durcheinander. Auch ihnen erzählte er von seinem Plan und die erschreckten Stimmchen verwandelten sich in Jubel. Puuuh, gerade noch einmal gut gegangen. Zwei Elfen begleiteten den Schieferbeisser zu dem Haufen mit den ungefärbten Eiern und schwangen ihre Zauberstäbe. Die eine färbte die Eier mal leuchtend gelb, mal eidottergelb und mal sonnengelb. Die zweite Elfe zauberte ein wunderschönes Azurblau, Himmelblau oder Nachtblau auf die Eier und die beiden Farben zusammen ergaben die fantastischsten grünen Farbtöne, die man je gesehen hatte. Es war einfach wunderbar anzuschauen. Als es Abend wurde setzten sich die Elfen und der Schieferbeisser gemeinsam um ein warmes Lagerfeuer und aßen eine feine Neun-Kräuter-Suppe mit leckerem Stockbrot. Die Neun-Kräuter Suppe gibt es schon sehr lange und sie ist eine traditionelle Speise am Gründonnerstag. Sie soll Kraft und Gesundheit geben. Die Elfen hatten Brennnessel, Giersch, Taubnessel, Löwenzahn, Spitzwegerich, Knoblauchsrauke, Bärlauch, Frauenmantel und Schnittlauch hinein getan, man kann aber auch viele andere Kräuter benutzen. Mit vollem Bauch kuschelte sich Schorsch ans Feuer und schlummerte ein. Die Elfen gingen nach und nach heim, nur das kleine Elflein blieb beim Schieferbeisser und wartete gemeinsam mit ihm auf die Rückkehr des Fuchses.
Der Morgen leuchtete schon blassrosa am Horizont, als Felix seine beiden Freunde erreichte. Mit rauchenden Stiefeln kam er vor dem Lagerfeuer zum Stehen und schnaufte wie eine Dampflok. Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen erzählte er Schorsch und der jungen Elfe von seiner Reise. Und gerade als er den letzten Satz beendet hatte, hörten sie ein vertrautes Geräusch, das schnell näher kam. Viele Glöckchen und lautes Hufgetrappel. Die drei schauten in den Himmel und da, da hinten sahen sie ihn schon. Felix hatte es geschafft! Die Glöckchen wurden lauter und ein großer Schlitten, den Rentiere zogen, kam direkt auf sie zu. Kurz vor ihnen kam er zum Stehen und eine tiefe, wohlvertraute Stimme rief ein freundliches Hallo. “Schorsch, alter Freund. Bei euch ist ja was los!” Der Schieferbeisser lächelte verlegen und krabbelte auf den Schlitten. “Dankeschön Claus. Da machst Du den Kindern im Frankenwald eine echte Freude. Und uns und Gloria natürlich auch.” Ein wohlvertrautes “Ho, ho, ho!” erklang und den Freunden wurde leicht ums Herz. Gemeinsam packten sie die ganzen Ostereier auf den Schlitten. Das Elflein und Schorsch saßen mit im Schlitten und Felix mit seinen 7-Meilen-Stiefeln hatte die große Ehre und durfte mit den Rentieren den Schlitten ziehen. Und im Nullkommanichts flogen sie alle zusammen über den Frankenwald und versteckten noch rechtzeitig alle Ostereier. Nach getaner Arbeit setzte Claus die Freunde wieder im Wald ab und flog zurück nach dort wo ihn Felix her geholt hatte. Zufrieden und müde machten sich die drei auf den Heimweg, als sie abermals die Glöckchen hörten. Und kurz danach hoppelte ihnen eine äußerst zufriedene Chefosterhäsin entgegen. Gloria war zurück aus der Südsee. Um den Hals hing eine Blumenkette und in einer Hand hielt sie eine Kokosnuss mit Strohhalm. “Ihr Lieben! Ihr habt Ostern gerettet. Vielen, vielen Dank.” Sie drückte Felix und Schorsch und sogar die kleine Elfe, die ganz verschreckt dort stand und auf eine Standpauke gewartet hatte. Gloria war nicht böse. Die Kinder hatten ihr Osterfest und das war das Wichtigste! Und nach einer großen Mütze Schlaf trafen sich Gloria und Felix und Schorsch und die kleine Elfe am nächsten Tag und erzählten bei einem heißen Heidelbeersaft von ihren Abenteuern.
Das war ein aufregendes Osterfest gewesen. Der Schieferbeisser schmunzelte bei dem Gedanken daran und wurde ein kleines bisschen wehmütig. Er musste unbedingt seine Freunde wieder einmal treffen. Aber jetzt galt es erst einmal diesen Menschenwesen unter die Arme zu greifen. Offensichtlich hatten sie keine Ahnung, wie man Ostereier und Ostersüßigkeiten richtig versteckte. Da lag alles so auf einem Haufen herum. Und viel zu schwer zu finden für Kinder. “Also ehrlich!” Der Schorsch grummelte vor sich hin. Er konnte sich nicht vorstellen, wie das ohne ihn funktioniert hatte in diesem Schiefermuseum. Na ja, jetzt war er ja da. Er packte sich die Süßigkeiten und begann sie im Museum zu verteilen. Auf die Schiefer, vor die Werkzeuge, auf die Werkbank mit den Holzleisten. Sogar in das Klassenzimmer in der obersten Etage legte er Süßigkeiten. Und weil die Arbeit so anstrengend war, naschte er immer einmal wieder hier und da ein Stückchen Schokolade. Das Stanniolpapier raschelte lustig beim Auspacken der Schokolade. Endlich war es geschafft und Schorsch betrachtete sein Werk zufrieden. So konnte Ostern auch im Schiefermuseum kommen! Zufrieden machte er sich auf den Weg in seine Wanduhrwohnung. Auf dem Weg nach unten fiel ihm das silberne Muster auf einer Schieferwand auf. War das etwa Stanniolfolie? Könnte er vielleicht seine Stanniolfolie auch…?
Der Schieferbeisser nahm sich fest vor, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen. -
Wie der Schieferbeißer das Recycling entdeckte
So, jetzt reichte es mit der Faulenzerei! Schorsch schaute sich in seiner Wanduhrwohnung um. Es sah aus wie bei den Wildschweinen, überall lagen kleine bunte Stanniolpapierchen herum. Vielleicht hätte er nicht ganz so viel Osterschokolade futtern sollen. “Hmpf.”, der Schieferbeisser grummelte in sich hinein. Wenn das aber auch so lecker war. Besonders, wenn man die Schokolade auf ein Stückchen Schiefer legte. Und diese Menschenwesenleckerei hatte ihn ganz träge und müde gemacht. Er war sogar zu faul gewesen, um aufzuräumen. Nein, so ging das nicht weiter. Ein Schieferbeisser war ordentlich! Schorsch streckte sich und begann die unzähligen silberglänzenden Folien einzusammeln, bis er einen ganz schönen Haufen beisammen hatte. Und nun? Er könnte die Papierchen ja einfach in ein Eck stopfen, damit sie niemand finden konnte. Aus den Augen aus dem Sinn sozusagen. Oh nein, das würde er nicht tun, schließlich wollte er ja aufräumen und nicht Dreck verstecken. Also gut, dann raus damit aus seiner Wohnung. Und dann ab in den Abfall. Schorsch packte den ganzen Stapel buntes Stanniolpapier und balancierte ihn auf seinen Armen nach draußen. Wo hatte er nochmal einen Mülleimer gesehen? Ach ja, oben im Klassenzimmer. Fröhlich pfeifend machte er sich auf den Weg. Schorsch erklomm vorsichtig Stufe um Stufe und passte auf, dass nichts auf den Boden fiel. Er hatte gerade 12 und eine dreiviertel Stufe geschafft, als sein Blick auf eine Schieferwand fiel, die im Mondlicht silbern glänzte. Ooooh, das hatte er ja fast vergessen. Vor ein paar Tagen war ihm diese schöne Verzierung schon einmal aufgefallen. Aber über diese ganzen Schokoladenosterhasenlollis, Schokoeiern und Schokohasen hatte er das wieder vergessen. “Was war das nur?”, suchend blickte sich Schorsch um. Da hinten an der Wand hingen eine ganze Reihe Bilder mit Häusern, die solche Verzierungen hatten.
Der Schieferbeisser ging auf die Bilder zu, um einen genaueren Blick zu erhaschen. Er krabbelte auf einen Stuhl und von dort aus auf einen Glaskasten, der direkt unter den Zeichnungen stand. Oho, das war aber wirklich wunderschön.
Stanniolmalerei ist eine Dekorationstechnik, die es so nur in der thüringisch-fränkischen Schieferregion gibt. Schieferdecker beherrschten in früheren Zeiten dieses Kunsthandwerk und verzierten damit oft die Häuser von wohlhabenden Bürgern. Ein wahrer Blickfang, der noch dazu bis zu 100 Jahre am Haus erhalten blieb.
Egal ob von Weitem oder aus der Nähe, diese Muster auf den Häuserwänden waren eine Schau. Der Schieferbeisser wollte gerade wieder nach unten hüpfen und seinen Müll wegbringen, als er einen Blick auf den Inhalt des Kastens erhaschen konnte. Schorsch bekam große Augen. So funktionierte das also. Sein Blick wanderte weiter zu seinem Haufen Stanniolpapierchen und sein langes blaues Ohr wackelte vor Aufregung. Au ja, das würde er damit anstellen! Schorsch hüpfte von dem Glaskasten und spurtete in die Werkstatt. Hier hatte er die Sachen gesehen, die er gleich brauchte. Voll beladen kraxelte er wieder nach oben und schleppte sein ganzes Werkzeug auf die Vitrine.
So konnte er beim Basteln genau der Anleitung folgen. Ganz ordentlich baute der Schieferbeisser alles nebeneinander auf. Ein Brettchen als Unterlage, einen Stift, dicke Pappe, ein scharfes Messer, einen dicken Pinsel, dessen Borsten zusammengebunden waren, Leinölfirnis als Kleber und zu guter Letzt noch sein gesammeltes Stanniolpapier. Huch und natürlich brauchte er noch einen Schiefer. Also, noch einmal in die Werkstatt und einen Schiefer geholt. Als der Schieferbeisser wieder oben ankam und auf die Vitrine kletterte, war er ziemlich aus der Puste. Kein Wunder, er hatte ja auch keinen Treppenmarathon geplant. Zur Stärkung knabberte er ein Eckchen von seiner Schieferplatte ab. Das hatte er sich verdient! Mmmh, diesmal schmeckte es nach Apfelkuchen.Kurze Zeit später war der Schieferbeisser wieder bei Kräften und begann sein Werk. Zuerst malte er eine Form auf das Papier auf und schnitt es mit dem Messer aus. Dann legte er die Form auf den Schiefer und zeichnete sie mit seinem Fußnagel nach. So ein Schieferbeisserfußnagel ist nämlich ziemlich fest. So fest, dass er sogar auf Schiefer malen kann. Als Nächstes legte er die Pappform auf sein Stanniolpapier und schnitt mit dem Messer die Kontur nach. Die ausgeschnittenen Stanniolfolien brachte er mit Leinölfirnis auf den Schiefer auf und klopfte sie vorsichtig mit dem Pinsel fest. So! Stolz betrachtete er seine Arbeit. Das sah aber wirklich toll aus. Schorsch hatte ganz viele Kreise ausgeschnitten und diese auf den Schiefer geklebt. Ein richtiges Gemälde hatte er da geschaffen. Vorsichtig trug er sein Werk in seine Uhrenwohnung und hängte es dort an die Wand. Und während er genüsslich das eine oder andere Eckchen Schiefer knusperte, konnte er sich gar nicht satt sehen an seinem Kunstwerk. Vielleicht gab es ja zweimal im Jahr Ostern im Schiefermuseum. Dann könnte er noch ein zweites Bild basteln. Und vielleicht auch ein bisschen Schokolade naschen. Aber natürlich nur, damit er wieder Stanniolpapier kriegte.
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Wie dem Schieferbeißer der Blähschiefer in die Quere kam
Heute war Zeit für ein neues Abenteuer! Die letzten Osterleckereien waren aus dem Museum verschwunden, es gab nicht ein Sträublakrümelchen im Büro und seine Wohnung war auch ordentlich. Der Schieferbeisser konnte also wieder ein Eckchen in seinem neuen Zuhause erkunden. Was er wohl heute entdecken würde? Seine Öhrchen wackelten aufgeregt und mit vollem Elan hüpfte er aus seiner Wanduhr. “Juchhu!”, Schorsch war so vergnügt, dass er vor guter Laune jauchzte. Und das war wirklich etwas ganz Außergewöhnliches, denn so ein Schieferbeisser ist eigentlich ein eher knarziger Geselle und so gar kein Jauchzer und Juchzer. Es lag wahrscheinlich am Frühling, der endlich da war. Mit jedem Hauch, der durch die Türen strich, roch er Gänseblümchen und Duftveilchen und Grün. Vielleicht konnte er ja sogar in ein paar Wochen zurück, um sein Häuschen zu reparieren. Er musste unbedingt mit Cornelius oder Felix sprechen. Der Schieferbeisser nickte bei dem Gedanken, dann wackelte er noch einmal mit seinem blauen Ohr, bevor er in den dunkelsten Winkel des Museums strich. Hier hinten, hinter einer hohen Wand, standen allerlei große Schiefersteine herum. Die Menschenwesen hatten sie in Form geschnitten und goldene Buchstaben und Kreuze eingeritzt. Und einer der Steine sah aus, wie ein riesiges Buch. “Wow”, Schorsch pfiff durch seine drei Zähne. Das sah aber richtig schick aus. Der Schieferbeisser blickte sich weiter um. Aha, da hinten stand eine große Kommode. Die Platte darauf war ebenfalls Schiefer und auf der Platte stand eine große, weiße Waschschüssel. Man musste diesen Menschen eines lassen, sie waren ganz schön kreativ, wenn es darum ging, Schiefer zu verwenden. Also so eine Kommode könnte er auch gebrauchen. Natürlich nicht so groß, weil die ziemlich sicher nicht in seine Wanduhrwohnung passen würde. Während sich Schorsch noch überlegte, wie er die kleinen Schubladen zusammenbasteln würde, wehte ein ganz außergewöhnlicher Duft an seiner Nase vorbei. Oooh, was war das denn? Der Schieferbeisser schnüffelte und schnupperte und versuchte die Fährte aufzunehmen. Da! Da aus der Richtung wehte es herüber. Schorsch folgte dem Geruch Schritt für Schritt, bis er vor einer Vitrine zum stehen kam. Jawohl, von dort oben kam der Duft, er war sich ganz sicher. Es war himmlisch. Er musste da hinauf kommen, koste es was es wolle. Die Vitrine selbst war zu hoch, er brauchte eine Leiter. Oder einen Stuhl. Gottseidank kannte er sich mittlerweile gut aus im Museum und so dauerte es nicht lange, bis er einen Stuhl direkt vor die Vitrine schob. Schorsch lief das Wasser im Munde zusammen. Gleich würde er entdecken, was hier so unglaublich lecker roch. Ein Hüpfer, zwei Hüpfer und schon stand er oben auf dem Glaskasten. Was war das denn? Hier stand ein Körbchen und in dem Körbchen lagen kleine Steinchen und diese Steinchen verströmten das himmlische Aroma. Vorsichtig griff Schorsch hinein, nahm sich ein Eckchen und legte es auf seine Zunge. “Mmmmh, ach du gute Güte.”, Schorsch seufzte schon wieder. Na, hoffentlich wurde das nicht zur Gewohnheit! Die Steinchen waren leicht und locker, wie Mousse au Chocolat. Sie zerliefen förmlich auf seiner Zunge und der Geschmack - unbeschreiblich. Es war ein Schiefer, den er so noch nie gekostet hatte. Wie konnte das sein? Er war ein Schieferbeisser, er kannte doch jede natürliche Schieferart. Ha! Das musste es sein. Er betrachtete sich die Bilder, die hinter der Vitrine an der Wand hingen. Anscheinend machten die Menschenwesen diese Schiefersorte. Unglaublich, dass die so etwas Feines zustande brachten.
Der Schorsch hatte den Unterloquitzer Blähschiefer entdeckt. Blähschiefer wird auch heute noch hergestellt. Unter Druck, Hitze und Drehung werden Schieferstücke aufgekocht und poppen ähnlich wie Popcorn auf. Dieser Schiefer kann sehr schnell viel Wasser aufnehmen und es ebenso schnell wieder abgeben. Besonders für Flachdächer ist er damit ungemein nützlich. Und für einen Schieferbeisser war so ein Blähschiefer in etwa so, wie für einen Frankenwälder die Hefeklöße mit Zwetschgensoße - er konnte einfach nicht aufhören. Zuerst futterte Schorsch das Körbchen leer, dann schob er den Deckel der Vitrine auf und knusperte den Blähschiefer von dort komplett. Und weil das immer noch nicht reichte, schnappte er sich auch noch den Eimer Blähschiefer, den er in der Werkstatt fand. Er futterte und futterte und konnte einfach nicht aufhören. Sein kleines Bäuchlein wurde immer runder und bald konnte er nicht mehr stehen, so viel hatte er gegessen. Sein Blick fiel wieder auf die schöne Waschschüssel. Jawohl, das war doch ein toller Platz, um sich auszuruhen. So viel er tragen konnte, nahm er an Bläschiefer mit und zu guter Letzt lag er wie in einer Badewanne voller Schokolade, rund um ihn der Blähschiefer verteilt. Er knusperte und knabberte immer weiter, bis er schließlich so vollgefressen war, dass er erschöpft einschlief und vom Schieferbeisserschlaraffenland träumte.
“Manja, kannst Du mal kommen? Irgendwas ist hier seltsam. Hier liegt ein ganz komisches Tier.” Schorsch blinzelte. Grelles Licht blendete ihn und die Menschenwesenstimmen waren unangenehm laut in seinen Ohren. Was war denn hier los? Verschlafen öffnete er ein Auge und wäre fast in Ohnmacht gefallen. Gar nicht weit von ihm stand ein Mensch mit blonden Haaren und einer Brille auf der Nase. Schnell machte Schorsch das Auge zu und das andere dafür auf. Vielleicht war das ja nur ein Albtraum. So würde es sein. Er war immer noch im Futterkoma und sein voller Bauch ließ ihn schlecht träumen. Aber auch mit dem anderen Auge blieb das Bild gleich. Immer noch stand der Mensch vor ihm und mittlerweile stand sogar noch ein zweiter daneben. Beide schauten auf ihn mit riesengroßen Augen. Aber keiner kam näher. Der zweite Mensch hatte kurze rote Haare. Und genau jetzt öffnete dieser Mensch seinen Mund und begann zu sprechen: “Ich hab keine Ahnung was das ist, Karina. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein kleiner Kerl so ein Chaos veranstalten kann. Schau Dir mal an, wie es hier aussieht.” Der Schieferbeisser blieb stumm. Wie ein großer Teddybär lag er starr in seiner Schüssel. Vielleicht gingen die zwei ja wieder weg, wenn er sich nicht bewegte. Sein kleines Herz schlug ihm bis zum Hals. Und wieder hörte er die Menschen sprechen: “Ich glaube, wir haben unseren Geist gefunden! Und ich glaube außerdem, der hat mehr Angst vor uns als wir vor ihm.” Angst! Ein Schieferbeisser hatte doch keine Angst. Ein Schieferbeisser war das mutigste Wesen, das im Wald um dreiviertel vor Viertel zu sehen war. Also außer den Angeberwildschweinen natürlich. Er würde es den Menschenwesen schon zeigen. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen, rappelte sich in seiner Waschschüssel hoch und grinste die beiden mit seinem manierlichsten Lächeln an. Mit knarziger, knusperiger Stimme begann er zu sprechen: “Hallo Menschenwesen. Mein Name ist Schorsch und ich bin hier zu Hause.” Und etwas leiser und ein bisschen schüchterner schob er noch hinterher: “Und es wäre ganz toll, wenn ihr mich nicht fressen würdet.”
Der Schieferbeisser wartete und wartete auf ein Zucken oder eine Reaktion der beiden. Und nach langem hörte er den blonden Menschen flüstern: “Das glaubt uns niemand!”
Ganz in Gedanken verloren kaute Schorsch ein paar Schieferreste. Oh, oh. Wie würde es nun weitergehen? Das konnte ja spannend werden. -
Wie der Schieferbeißer die Falle nicht verfehlte
“Puuuh”, Schorsch schnaufte heftig. Ganz außer Atem hatte er es gerade noch so in seine Wanduhr geschafft. Die zwei Menschen waren davon gelaufen und er hatte die Gunst der Stunde genutzt.
Sein Blähschieferbauch hatte ihm nicht wirklich dabei geholfen, fast hätte er nicht durch die Tür gepasst. Verdammte Naschereien, er musste sich wirklich ein bisschen zusammenreißen. Wenn er weiterhin so viel futterte, konnte er bald als Kugelblitz durchgehen. Viel schlimmer als sein rundes Bäuchlein war aber, dass die Menschen ihn entdeckt hatten. Was sollte er nur tun? Und vor allen Dingen, was würden die Menschenwesen mit ihm tun? Die zwei waren riesig gewesen und hatten mit ihren großen Augen und Riesenmündern ganz schön gefährlich ausgesehen. Was, wenn Schieferbeisser auf dem Speiseplan standen? Oh, oh, oh. Schorsch tigerte hin und her in seiner Wohnung und wäre am allerliebsten wie der Blitz aus dem Museum in sein Häuschen zurück. Aber das ging ja nicht, weil er dazu erst einmal über Stock und Stein wandern musste. Und mit dem Blähkugelbauch wollte er das gar nicht versuchen. Und dann war es ja glockenhell, da konnte er sich gar nicht gut verstecken. Er war ja mitten in dieser Menschenwesenstadt. Und die war riesig! Nein, Flucht war keine Lösung. Er blieb besser in seinem Versteck. Und er würde sich mucksmäuschenstill verhalten. Für die nächsten Stunden und Tage. Bis die Menschen vergessen hatten, dass es ihn gab. Oder glaubten, dass sie geträumt hatten. Wie lange konnte das schon dauern? Diese Riesen sahen nicht so aus, als konnten sie sich Sachen so lange wie ein Schieferbeisser merken. Das konnte er aussitzen.“Ihr wollt mich doch veräppeln! Es gibt keine Gnome!” eine weitere Menschenstimme näherte sich. Die gehörte keinem der beiden von vorhin. Dem Schorsch graute. “Nicole, Du kannst uns das glauben. Wir erzählen keinen Schmarrn. Sowas haben wir noch nie gesehen.”, die Stimme kam von dem Wesen mit den kurzen Haaren und die Stimme von dem Brillenmenschen fügte hinzu: “Ehrlich. Ich zitter immer noch. Und dann hat der Gnom sogar gesprochen. Das ist bestimmt der, der hier alles durcheinander gebracht hat. Und dein Sträubla angebissen hat.” Ein Gnom? Wer war ein Gnom? Gab es hier noch einen Besucher? Halt! Die meinten ihn. Wie konnten diese Menschenwesen nur?! Er war doch kein Gnom. Gnome hatten knubbelige Nasen und knubbelige Knie. Und überhaupt keine gestreiften Öhrchen oder Füßchen. Der Schieferbeisser war empört. Gnome und Schieferbeisser waren völlig unterschiedlich, das wusste doch jedes Kind. Diese Menschen hatten wirklich gar keine Ahnung. Die konnten froh sein, dass er kein Gnom war. Denn die machten ganz schönen Schabernack. Er kannte ein paar und die waren ziemliche Spitzbuben. Wenn er ein Gnom wäre, dann wäre kein Ding im Museum mehr an seinem Platz. Und nicht so schön aufgeräumt, wie er alles hinterließ. Dankbar sollten die Menschen sein. Ha! Aber nein, da hörte er, dass hier alles durcheinander sei. Von wegen. Vielleicht sollte er einmal einen Gnom einladen. Dann würden sie sich aber wundern. So ein Gnom konnte nämlich durch Wände gehen. Wie ein echter, richtiger Geist. Ein grimmiges Grinsen ließ den Schieferbeisser fast ein bisschen gruselig aussehen. Die Menschenstimmen zogen seine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Er hörte sie nur ganz leise, was bedeutete, dass sie wahrscheinlich hinter der Wand, beim Blähschiefer, waren. Gut. Solange sie nicht zu nah an seine Wanduhr kamen, war alles in Ordnung. Schorsch kuschelte sich in seinen Strumpf. Hier würden sie ihn bestimmt nicht finden. Er würde einfach warten, bis Gras über die Sache gewachsen war. Und es dauerte nicht lange, dann war er eingeschlafen.
Als er wieder aufwachte, war es ganz still und schon dunkel. Er hatte den ganzen Tag verschlafen. Schorsch reckte sich und streckte sich und lauschte ganz angestrengt. Nichts. Hatte er es doch gewusst. Aus den Augen, aus dem Sinn! Die Menschen hatten aufgegeben, weil er nicht mehr da war. Vielleicht hatten sie ihn ja schon vergessen. Oder, sie dachten, dass sie sich das nur eingebildet hatten. Der Schieferbeisser schälte sich aus seinem Strickstrumpf und schüttelte seine Ohren. Sein Bauch war auch nicht mehr kugelig, sondern ganz normal. Hui, was für ein Glück, denn es war kein Spaß, sich durch den Spalt in die Wanduhrwohnung zu zwängen. So war das schon besser. Ein lautes Grummeln lies den Schieferbeisser zusammenzucken. Was war das denn gewesen? Abermals brummelte es und Schorsch bemerkte, dass keine Gefahr drohte. Es war sein Magen, der knurrte. Er hatte einen Bärenhunger. Kein Wunder, der Blähschiefer war ja fast nur aus Luft. Zur Sicherheit lauschte Schorsch noch einmal ganz fest und machte sich dann beruhigt auf den Weg in die Werkstatt. Heute war niemand mehr hier.
Der Schieferbeisser kletterte aus seiner Uhr und schlich durch die Stube. Und gerade als er nach unten gehen wollte, fiel er vor Schreck fast um. Auf der dritten Stufe von oben blickten ihn drei Menschenaugenpaare an. Und zwei Menschen, die an zwei der drei Augenpaare hingen, jubelten triumphierend: “Da! Wir haben es Dir gesagt!” Das dritte Menschenwesen blickte ihn aus kugelrunden, großen Augen an und sagte erst einmal gar nichts. Und nach einer gefühlten Ewigkeit, als Schorsch schon fast glaubte, dass gar nichts käme, hörte er eine Stimme, die genau wie seine, ein bisschen kratzig war. Der dritte Mensch sprach ganz leise: “Du schuldest mir ein Sträubla! Und Du bist kein Gnom, das seh ich. Aber was bist Du? Und wie heißt Du?” Der Schorsch blendete die beiden anderen Menschenstimmen aus und lauschte nur der einen. Mmmh. Sollte er den Menschen trauen? Ein Wesen, das diese köstlichen, grandiosen Streubla mochte, konnte nicht schlecht sein, oder? Tausend Gedanken schossen durch seinen Kopf und als er eine Entscheidung getroffen hatte, wusste er, dass das sein größtes Abenteuer werden würde. Er nahm all seinen Mut zusammen. Mit knarziger, knorriger Stimme begann er zu erzählen und sofort wurde es mucksmäuschenstill. “Mein Name ist Schorsch und ich bin ein Schieferbeisser.”Und dann erzählte er drei völlig fassunglosen Menschenwesen seine Geschichte und wie er ins Schiefermuseum gefunden hatte. Und als er fertig mit Erzählen war, hatte er drei neue Freunde gefunden.
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Wie der Schorsch den Hackl machte
Zufrieden schaute sich der Schieferbeisser in seiner Wanduhrwohnung um. Wenn er gewusst hätte, dass die Menschen so freundlich waren, dann hätte er schon viel eher Bekanntschaft mit ihnen geschlossen. Sein Strumpf lag mittlerweile auf einem kleinen Bettchen, das eine wunderbar weiche Matratze hatte. Das hatten ihm die Menschen geschenkt. Und mittlerweile hatte er sogar eine kleine Stehlampe, die er mit einem Schalter anknipsen konnte. Für die Menschen war das ein Nachttischlämpchen. Schorsch hatte zuerst Nachtisch-Lämpchen verstanden und sich schon gewundert, warum man Lampen zum Dessert verdrückte. Das Glas knirschte doch so furchtbar beim Kauen. Also er bevorzugte ja eher so ein schönes, knuspriges Stückchen Schiefer... „Hach ja!“, Schorsch seufzte genüsslich und war in Gedanken schon vor dem Frühstück bei der Nachspeise.
Heute hatte er sich fest vorgenommen, die drei Museumsmenschen einmal bei der Arbeit zu beobachten. Vielleicht konnte er ihnen ja noch das eine oder andere beibringen. Gut gelaunt schwang sich Schorsch auf seinen Wanduhraufzug und hüpfte mit einem großen Satz in die Tafelmacherstube. Und weil er sich heute so sportlich fühlte, stellte er sich auf das Treppengeländer und rutschte darauf ins Erdgeschoss. Hui, das machte Spaß! Das musste er nochmal machen. Diesmal aber von ganz oben. Gesagt, getan und mit einem echten Affenzahn rodelte der Schorsch von ganz oben nach ganz unten. Seine Ohren flatterten im Wind, das blaue ein bisschen mehr als das gestreifte, weil es ja auch länger war. Der Schieferbeisser war begeistert. Das musste er nochmal machen! Vielleicht konnte er ja noch ein bisschen schneller werden. Und wieder stapfte er nach oben, bis ins Klassenzimmer und wieder rodelte er auf dem Geländer nach unten. Diesmal legte er sich ganz flach auf den Rücken und machte sich ganz steif, um noch besser in den Kurven zu liegen. Wie ein geölter Blitz schoss er nach unten und landete am Fuß der Treppe. Autsch. Das war aber eine harte Landung. „Mmmh“, Schorsch überlegte laut. „Ich muss das ein bisschen auspolstern. Ich glaube, da nehm ich mir meine neue Matratze.“ Kurze Zeit später hatte der Schieferbeisser einen weichen Landeplatz gebastelt und rutschte und rodelte unter lautem Gekichere wieder und wieder nach unten. Konnte er das vielleicht noch schneller? Vielleicht musste er sich einen Apparat bauen. Einen, wo er nicht so abbremste. Das, was den Schorsch nämlich langsamer werden ließ, war die Reibung, die entstand, wenn er mit seinem Schieferbeisserpopo auf dem Geländer entlangrutschte. Deshalb wurde er auch schneller, wenn er sich ganz flach hinlegte. So verringerte er nämlich die Fläche, die mit dem Geländer in Berührung kam. Und wenn er jetzt noch etwas finden könnte, was noch weniger auf dem Geländer auflag, dann wurde er noch einmal schneller. Und das wäre nochmal lustiger.
Oooh, da kam ihm eine Idee. Er wuselte geschäftig hin und her und sammelte einen metallenen Spaltspan aus dem ersten Raum und eine Schiefertafel aus der Schule. Spaltspäne sind dünne, elastische Eisenplatten und werden im Bergbau genommen, um die Schieferschichten voneinander zu trennen. Diesen klebte er mit Leim an die Unterseite der Tafel. Stolz betrachtete Schorsch seine Konstruktion. Auf ging es. In der obersten Etage platzierte er sein Gefährt auf der Treppe und kletterte darauf. Mit viel Schwung stieß er sich ab und sauste nach unten. Die erste Kurve nahm er mit Bravour und mit Bestzeit. Er kam sich vor wie ein Spitzensportler. Zumindest bis zum zweiten Absatz. Dort, wo die Treppe ins Erdgeschoss ging, stand nämlich keine Holzwand, die er nutzen konnte, um die Kurve zu meistern.
Und so rauschte der Schorsch mit Bestzeit eben nicht ins Erdgeschoss, sondern geradeaus. Und aus seinem Bob wurde ein Segelflieger, nur leider ohne Bremse. Und Rumms!!! Das tat weh. Der Schieferbeisser sah Sternchen. Da war er doch glatt gegen die Ecke der Tafelmacherstube geflogen. "Aua!", ein bisschen Jammern konnte er sich nicht verkneifen, denn er spürte jetzt schon, wie die Beule an seinem Öhrchen wuchs. Und dann auch noch am gestreiften. Fast hätte er auch noch geweint, aber da hörte er Schritte, die sich näherten. Es war Manja, die nur ein großes Krachen gehört hatte und nun erschrocken nachschaute, was hier los war. Schnell verdrückte er sich ein Tränchen. "Schorsch, was treibst Du denn hier? Und wie sieht es denn hier aus?", Manja klang fassunglos. Am Eck der Tafelmacherstube war ein ganzes Stück Schiefer herausgebrochen, ein Spaltspan steckte in einer kaputten Tafel und zu allem Unglück hing der Schieferbeisser auch noch über dem ganzen Schlamassel. Schorsch lief dunkelblau an, weil er sich so schämte und war ganz zerknirscht, als er mit leiser Stimme fragte: "Kannst Du mich von hier runterholen?" So konnte man einem Schieferbeisser natürlich gar nicht böse sein und vorsichtig befreite Manja den kleinen Kerl aus seiner misslichen Lage. Immer noch schamesblau erklärte Schorsch, was er gemacht hatte und rieb sich dabei sein verbeultes Ohr. Seine Museumsfreundin schnappte sich seine Matratze, die ein bisschen gelitten hatte und klebte ihm ein erdbeerrotes Pflaster aufs lädierte Ohr. Mit Pflaster wurde alles gleich besser. Vorsichtig setzte sie ihn mit Matratze zurück in seine Wanduhrwohnung, deckte ihn mit dem Strumpf zu und brachte ihm ein Schälchen mit feinstem blauen Schiefer. Für heute hatte er genug Abenteuer erlebt. Und für das nächste Mal nahm er sich fest vor, dass er auf jeden Fall einen Helm aufsetzen würde. -
Wie der Schieferbeißer sich selbst ein Bild machte
Es rumpelte und krachte im ganzen Museum. Ständig stampften Menschenwesen die Treppen hinauf und wieder hinab. Nicht nur tagsüber. Oh nein! Natürlich auch am Abend, wenn der Schieferbeisser eigentlich seine Ruhe haben wollte. “Heiliger Schieferbeisser, können diese Menschen mal ein bisschen leiser sein?!”, Schorsch grummelte entnervt vor sich hin. Nur weil er sich mit den drei Museumsmenschen angefreundet hatte, bedeutete das nicht, dass er rund um die Uhr Gesellschaft haben wollte. Die ganze Woche ging das schon so. Nach seinem Bob-Abenteuer hatte er ganz schöne Kopfschmerzen gehabt, selbst mit Pflaster auf dem Ohr. Und eigentlich wollte er nur ein wenig Ruhe haben in seiner Wanduhrwohnung. Aber das konnte er sich abschminken.
Rumms! Ein Knall, so laut, dass Schorsch fast an der Decke klebte, war der berühmte letzte Tropfen. “Grrrrrmmpf!”, ein gruseliges Grummeln kam ganz tief aus Schorschs Kehle. Er strampelte sich aus seinem Strickstrumpf und stapfte aus seiner Wanduhrwohnung. Konnte man denn hier nicht eine ruhige Minute haben. Das war ja schlimmer, als bei den Wildschweinen im Wald. Ha! Da oben kam der Lärm her. Aus dem Klassenzimmer. Stufe um Stufe erklomm ein wütender Schieferbeisser die Etage, bis er auf der letzten Stufe stehen blieb. Was machte er hier eigentlich? War er noch ganz bei Trost, oder hatte sein Bob-Unfall doch einen Schaden hinterlassen? Karina, Manja und Nicole mochten ja ganz nett sein, aber er wusste ja gar nicht, ob alle Menschen so freundlich waren. Vielleicht waren die drei Museumswesen ja eine Ausnahme. Und vielleicht würden ihn diese anderen Menschen ja trotzdem fressen. Schorsch wollte gerade in Deckung gehen und die Treppe wieder hinunter schleichen, als das Menschenwesen aufblickte und ihn erspähte.
Schorsch blieb wie angewurzelt stehen. Zu spät. Das passierte ihm jetzt schon zum zweiten Mal. Er musste wirklich an seiner Tarnung arbeiten. Langsam richtete sich der Schieferbeisser auf und stieg die letzte Stufe hinauf. Vorsichtig ging er auf den Menschen zu. Der war aber groß. Viel größer als die drei Frauen. Oh, oh. Und seine Stimme klang auch viel tiefer. “Na, Du bist also der berühmte Schieferbeisser. Von Dir hab ich schon gehört.” Freundlich klang das Menschenwesen. Schorsch tapste noch ein paar Schritte näher. “Machst Du hier diesen Krach?”, seine Stimme klang ein bisschen dünn. Der große Mensch lächelte ihn an und erklärte, dass er momentan eine besondere Ausstellung im Museum vorbereitete. Aha! Interessiert kam Schorsch nun ganz nah. Er sah einen ganzen Haufen Bilder herumliegen und einige große, dunkelrote Bücher, die verstreut auf dem Tisch herumlagen. Der Schieferbeisser hüpfte auf einen Stuhl und von dort auf den Tisch. Dieses ganze Zeugs machte ihn ziemlich neugierig. Und was war eigentlich eine besondere Ausstellung? “Was ist das denn alles? Und was hat das mit meinem Museum zu tun?”, Schorsch blickte den Menschen fragend an. “Und wie heißt Du denn überhaupt?”, schob er hinterher. “Also mein Name ist Siegfried und was das alles ist, dass kann ich dir genau erklären. Komm mal hierher zu mir.”, der große Mensch winkte dem Schieferbeisser einladend zu. Die Neugierde siegte und Schorsch setzte sich zu seinem neuen Menschenfreund. Und gemeinsam betrachteten die zwei nun Bild für Bild und Siegfried erklärte, was es denn mit dieser Sonderausstellung auf sich hatte.
Das Schiefermuseum war nämlich in dem Gebäude einer ehemaligen Postkartenfabrik untergebracht. Und diese Fabrik war ziemlich bekannt in ganz Deutschland gewesen. Weil hier Postkarten auch in ganz kleinen Mengen hergestellt werden konnten. Und diese Postkarten sogar von Hand bunt gemalt wurden. Nachcolorieren nennt man diese Technik. So wurde jede einzelnde Karte zu einem Unikat. Und viele dieser Bilder legte Siegfried in Vitrinen und hängte sie in Rahmen an die Wand. Schorsch war fasziniert. Gedankenverloren knabberte er an einem Griffel, während er sich von dem großen Menschenwesen verschiedene Bilder zeigen ließ. Besonders toll fand er, dass die so alt waren. Manche waren schon über 100 Jahre und sahen aber immer noch toll aus. Auf ganz vielen sah Schorsch die Burg Lauenstein. Die Menschen sammelten die Bilder, um sich an besondere Momente zu erinnern. Und die Postkarten verschickten sie an Freunde, um sie zu grüßen und ihnen zu erzählen, wie es ihnen im Urlaub gefiel. Das fand der Schieferbeisser toll.
Vielleicht sollte er auch Postkarten schreiben und an Felix den Fuchs, Cornelius die Eule und seine anderen Freunde aus dem Wald schicken? Oooh, mit einem Schlag war Schorsch ganz aufgeregt. Könnte man denn vielleicht auch von ihm ein Bild machen? Das könnte er dann als Postkarte an seine Liebsten im Wald schicken. Seine Öhrchen wackelten hin und her. Au ja, das war klasse. Und vielleicht könnte er ja auch ein paar Bilder für seine Wanduhrwohnung machen? Und er brauchte noch ein paar Fotos mit Menschen, damit er den doofen Wildschweinen zeigen konnte, wie mutig er war. Von denen hatte sich nämlich keines getraut, nah an ein Menschenwesen heranzugehen. Schorsch verabschiedete sich von Siegfried und hüpfte Stufe für Stufe nach unten. Vorne im Büro saß Nicole. Suchend blickte er sich um. Jawohl, da war es ja. Sein höchstpersönlich, eigenes Schorsch-Streubla. Nicole brachte ihm immer ein eigenes mit. Das machte sie schon einmal sehr sympathisch. Kauend und ein bisschen schmatzend erzählt er ihr von seiner Idee und Nicole nickte zustimmend. “Schorsch, ich hab eine Idee! Was hältst Du denn davon, wenn Du am Samstag bei unserer langen Museumsnacht mitmachst? Du könntest Dich mit allen Menschen fotografieren lassen, die zu Besuch kommen. Die Wildschweine werden in Ehrfurcht erstarren, wenn sie sehen, wie mutig Du bist.” Der Schieferbeisser überlegte ein bisschen. So viele neue Menschenwesen, das wollte wohl überlegt sein. Eigentlich mochte er ja lieber seine Ruhe haben. Aber die Fotos klangen schon spannend. Die könnte er dann auch in seine Wanduhr hängen. Und seine Bilder würden auch in 100 Jahren noch da sein. Oho! Da würden seine Freunde aber Augen machen.
Sein Entschluss stand fest. “Nicole, für drei Streubla mach ich das. Ich werde Euer Fotomodel.” Mit einem Handschlag besiegelten die zwei ihren Entschluss. Und der Schorsch freute sich ganz besonders, weil für ihn auch noch etwas zum Schnabulieren heraussprang. Glücklich und ein bisschen aufgeregt verkrümelte sich der Schieferbeisser in seine Wohnung, um sich auf ein spannendes Wochenende vorzubereiten. Bald würde er der berühmteste Schieferbeisser von allen Schieferbeissern sein. Und natürlich der mit den meisten Streubla. Und damit schlief der Schorsch ein und träumte von schönen Bildern und noch schöneren Süßigkeiten.
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Wie sich der Schieferbeißer entschleunigte
Es raschelte und kruschelte in der Schieferbeisser-Wanduhrwohnung. Schorsch saß inmitten eines ganzen Haufens Bilder, die er in der langen Museumsnacht gemacht hatte. Es war schon spannend wie viele Menschen sich mit ihm hatten fotografieren lassen. Er fühlte sich fast ein bisschen wie ein Star. Ein Menschenwesen war sogar extra wegen ihm gekommen. Gar nicht wegen dem Schiefer. Oder den leckeren Streubla. Und überhaupt die Streubla! “Mmmhjjammh!”, der Schieferbeisser seufzte genießerisch. Mindestens drei-ein-dreiviertel Stück hatte er gefuttert. Und die Museumsmenschen hatten für die Besucher noch mehr mitgebracht. Und denen hatten sie genauso gut wie ihm geschmeckt. Na ja, außer, dass keiner seinen Schieferstaub darauf haben wollte. Karina hatte ihm erklärt, dass die Menschenzähne gar nicht gut mit Steinstaub umgehen konnten. Oder mit Schiefer im Allgemeinen. Deswegen waren die auch gar nicht so schön groß und spitzig wie seine.
Das hatte ihn gleich doppelt beruhigt. Zum einen würde keiner seinen leckeren Schiefer wegfuttern und zum anderen war es doch so: Wenn so ein Mensch schon keinen Schiefer knuspern konnte, dann konnte er auf gar keinen Fall einen Schieferbeisser fressen. Er war also sicher. Das hatte ihn ungemein beruhigt. Es war also ein rundum gelungenes Wochenende.
Allerdings war er ziemlich geschafft. Und hätte am liebsten seine Ruhe gehabt. Aber in den letzten Tagen waren immerzu ganze Menschentrauben durchs Museum gestampft. Und immer wieder hörte er seinen Namen. Die drei Museumsmenschen erzählten fleißig von ihm und dann hörte er jedesmal viele “Oooohs” und noch mehr “Aaaahs” und spätestens nach dem fünften Ausruf fing irgendeiner von den fremden Menschen an, ihn zu rufen. Bis jetzt war gottseidank noch niemand an seiner Wanduhr gewesen, aber man konnte ja nie wissen. Überhaupt. Die Ruhe war ganz schön aus dem Museum verschwunden. Wenn keine Fremden durchs Museum polterten, dann räumten die Museumsmenschen ständig alles um. Vor ein paar Tagen hatten sie sogar ein Zelt mitten in seinem Klassenzimmer aufgebaut. Das musste man sich mal vorstellen! Nein, eigentlich war es ihm im Moment viel zu laut. Missmutig wackelte Schorsch mit seinen Ohren. Das Blaue wackelte dabei ein bisschen mehr, weil es ja länger war. Da, da kam schon die nächste Horde getrampelt. Als würden die Wildschweine sich die Ehre geben und die Treppe herauf kommen. Klirr! Und schon war es passiert. Sein Nachttischlämpchen war umgefallen und die schöne Birne war in tausend kleine Teile zersplittert. “Grrrrr, ist das denn die Möglichkeit!?”, Schorsch brummelte und grummelte, aber es half nichts. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit wurde es wieder ruhiger im Museum. Vorsichtig schlich er aus seiner Wohnung und kraxelte ins Klassenzimmer. Dort gab es eine Tür, die in den Garten hinter dem Museum führte.
Am Abend, wenn es ganz ruhig wurde, dann machte Schorsch die Tür auf und oft kam sein Freund Felix der Fuchs vorbei. Manchmal flatterte auch Cornelius die Eule auf einen Sprung herein und berichtete vom neuesten Klatsch aus dem Wald. Heute dauerte es nicht lange, bis Felix um die Ecke geschlichen kam. Seine Nase schnupperte in den Wind, ob irgendein Mensch in der Nähe war und als keine Gefahr drohte, nickte er zufrieden und kam näher. Schorsch blickte griesgrämig drein und der Fuchs war besorgt: “Was ist denn los mein alter Freund? Welche Steinlaus ist dir denn über die Leber gelaufen?” “Pfff. Von wegen Laus. Eine ganze Menschenwesenhorde. Kein Tag ist hier mehr Ruhe. Das Wochenende war ja toll und ich hab auch viele Bilder gemacht. Und die Menschen sind ja alle auch nett. Aber die sind so laut!”, Schorsch schnaufte resigniert. Sein Freund tätschelte ihm mit seiner Pfote mitleidig den Rücken. Gemeinsam genossen sie die momentane Ruhe und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Plötzlich sprang Felix aufgeregt in die Höhe. “Schorsch, ich habs! Das ist die Idee!” Der Schieferbeisser war fast ein bisschen erschrocken, als der Fuchs so lospolterte. “Was hast Du? Mir ist gerade fast das Herz stehen geblieben.” Aufgeregt hüpfte Felix von einer Pfote auf die andere und japste mit jedem Tapser. “Na die Lösung hab ich natürlich! Dir ist es zu laut im Museum? Dann mach das so wie ich. Wenn mir im Fuchsbau zu viel los ist, dann mach ich Urlaub.” Urlaub? Der Schieferbeisser ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen. Urlaub. Ja! Natürlich. Urlaub! “Felix, lass uns zusammen Urlaub machen! Was hältst Du davon?” Der Fuchs überlegte nicht lange und schon war es beschlossene Sache. Felix und Schorsch würden gemeinsam in die Ferien gehen. Das würde ein Spaß. Und vor allen Dingen würde das ziemlich entspannend. Er würde dem Trubel in seinem Museum eine Weile Lebewohl sagen und an ruhigere Plätzchen ziehen. Und wenn die stillere Zeit zurück kam, dann könnte er ja auch wieder zurück kommen. Die zwei Freunde besiegelten mit einem Hand-Pfoten-Schlag ihre Idee und verabredeten sich für den nächsten Abend. Dann würde die Reise beginnen. Felix zog von dannen und Schorsch eilte in seine Wohnung um die wichtigsten Sachen für seine Reise zu packen. Morgen würde er sich von den Museumsmenschen verabschieden und dann konnte es schon los gehen. Was für ein Spaß!
Als der Schieferbeisser in dieser Nacht einschlief, träumte er von Abenteuern und neuen Entdeckungen und von geheimen Schieferschätzen. Was für ein Glück, dass er nicht schlafwandelte, sonst wäre er wahrscheinlich direkt schon losgelaufen.
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Wie der Schieferbeißer eine Reise zum Ludschter Grand Canyon unternahm
“Tschüüüüß Schorsch!”, Karina, Manja und Nicole standen am großen weißen Tor des Schiefermuseums und winkten dem Schieferbeisser zu. Tapfer stapfte er in die abendliche Sonne und den Museumshügel hinunter. Sein Freund Felix, der Fuchs, wartete hinter dem großen Baum auf der anderen Straßenseite. Hach! Es war ihm ganz schön schwer gefallen, sein Museum zu verlassen. Fast wäre er doch da geblieben. Aber dann war er unsanft geweckt worden, als irgendein furchterregender Minimensch gegen seine Tür gehämmert und wie am Spieß seinen Namen gebrüllt hatte. Schorsch hatte es in seinem Strickstrumpf dreimal umgedreht und sein blaues Ohr hatte sich gekringelt. Und zwar so sehr, dass er noch zwei Stunden später aussah, als hätte ihm ein Eichhörnchen-Friseur eine Dauerwelle gelegt. Und da hatte sein Entschluss festgestanden. Er hatte seine wichtigsten Sachen zusammengepackt und hatte den drei Museumsmenschen von seinem Plan erzählt. Natürlich waren die drei traurig gewesen, aber er hatte versprochen, dass er nicht zu lange fort blieb.
Und nun stand er hier, neben ihm sein Fuchsfreund und beide beratschlagten sie, wohin es gehen sollte. Zunächst einmal schwang sich Schorsch auf den Rücken von Felix und kuschelte sich in dessen weiches Fell. Und dann ging es im Sauseschritt weiter. Durch Gärten und Hecken und über Wiesen und an Büschen vorbei. Schorschs Ohren flatterten im Wind und er roch 1001 verschiedene Düfte. Flieder, Löwenzahn, blauer Günsel, es war eine echte Pracht. Bald ließen die beiden Freunde Ludwigsstadt hinter sich und erklommen die grünen Hügel hinter dem Ort. Felix blieb stehen und Schorsch konnte den Blick über sein neues Zuhause schweifen lassen. Oooh, das war aber eine große Stadt. Da gab es ja unzählige Menschenwesen. Puuuh, hoffentlich wussten die nicht alle, dass er im Museum wohnte. Schnell ging es weiter, zu einem kleinen Waldstück, wo die beiden Pause machten. Felix trabte davon, um sich einen kleinen Imbiss zu suchen und Schorsch knabberte ein Stückchen von seinem Schieferproviant. So eine Brotzeit mit blauem Stein schmeckte draußen gleich doppelt so lecker!
Plötzlich hörte er eine Stimme die vor sich hin redete. Mmmh, das klang aber seltsam. Als spräche die Stimme irgendeinen Text und wartete auf Antwort. Und zwischendurch kicherte sie immer wieder. Und irgendwie kam ihm diese Stimme auch ein bisschen bekannt vor. Trotzdem versteckte sich Schorsch erst einmal. Sicher war sicher. Da, ums Eck herum, kam die Gestalt. Zuerst blendete ihn die Sonne so, dass er gar nichts erkannte. Aber dann sah er, wer da laut vor sich hin redete. Ein Menschenwesen mit kurzen Haaren und einer Brille auf der Nase kam auf ihn zu. Na das war ja eine Überraschung! Das war doch der Mensch, der extra wegen ihm ins Museum gekommen war. Schorsch kam langsam aus seinem Versteck und winkte. Der Mensch sah den Schieferbeisser und rief erstaunt aus: “Schorsch, was treibst Du denn hier? Warum bist Du denn nicht im Museum?” Schorsch erzählte die ganze Geschichte und Astrid -so hieß der Mensch nämlich- nickte verständnisvoll. Nur an Felix, da glaubte Astrid nicht. Ein Fuchs, der mit einem Schieferbeisser befreundet war, das konnte gar nicht sein. Schorsch ließ den Menschen in seinem Glauben, schließlich war sein Fuchsfreund sehr vorsichtig wenn es um die komischen Wesen ging.
“Und was machst Du hier?”, Schorsch war ein bisschen neugierig. Schließlich war es schon komisch, dass ein Mensch so vor sich hin redete. Im Museum hatte er das noch nicht gehört. Weder Manja noch Karina redeten mit sich selbst. Nicole schon, aber nur, wenn sie sich ganz dolle konzentrierte. Und dann auch nur einzelne Worte und keine ganzen Monologe. Astrid grinste von einem Ohr zum anderen. “Ich probe meine Rolle, Schorsch. Im Herbst spiele ich Theater und ich muss meinen Text lernen. Und am Besten kann ich lernen, wenn ich ein bisschen Wandern gehe.” Aha! So war das also. Da liefen die Menschenwesen durch die Gegend, um sich zu konzentrieren. Fast wie die Schieferbeisser. Wenn er etwas lernen musste, dann lief er auch gerne auf und ab. Sein neuer Menschenwesenfreund riss ihn aus seinen Gedanken.
“Wenn Du magst Schorsch, dann zeig ich Dir einen ganz tollen Platz!” Das ist quasi mein Lieblingsplatz und ich bin ganz sicher, dass es Dir da auch gefällt. Das ist sozusagen ein Schieferbeisserparadies unter freiem Himmel.” Der Schieferbeisser war neugierig. Und wollte natürlich gerne mit. Aber erst musste er seinem Freund noch Bescheid geben. Längst hatte er gesehen, dass Felix im Dickicht wartete. Schorsch entschuldigte sich kurz bei Astrid und verschwand hinter der Baumreihe. Dort erklärte er Felix, was er vorhatte und der Fuchs war einverstanden. Schorsch würde mit Astrid wandern und Felix würde in gebührendem Abstand hinterher kommen. Es war ein Glück, dass ein Fuchs so gut riechen konnte, denn so konnte er nach Stunden noch die Fährte vom Schieferbeisser aufnehmen.
Gesagt, getan und auf ging es. Astrid und Schorsch machten sich schwatzend und lachend auf, das Schieferbeisserparadies zu entdecken. Was da wohl auf ihn wartete? Schorsch war gespannt. So fing sein Urlaub schon einmal gut an.
Es war eine tolle Tour. Astrid und Schorsch waren schon eine ganze Weile unterwegs. Das Menschenwesen hatte den Schieferbeisser huckepack genommen und war mit ihm über Stock und Stein gewandert. Also mit seinem Freund Felix, dem Fuchs, war er ja normalerweise schneller unterwegs. Ein bisschen musste Schorsch grinsen. Da waren die Menschen so groß und wirkten so bedrohlich und dann waren sie genauso langsam wie Waldschnecken. Na ja, vielleicht waren sie ein bisschen schneller. Eher wie die lustigen Igel, die neben ihm wohnten. Aber kein Vergleich zu Felix oder Gloria. Doch obwohl es langsamer voranging, machte es dem Schorsch mit Astrid einen Riesenspass. Die beiden lachten und kicherten und sein neuer Menschenwesenfreund erzählte eine lustige Geschichte nach der anderen. Zum Beispiel die, als sie mit Manja Glühwein schnabuliert hatte. Der Schieferbeisser wollte wissen, was denn eigentlich Glühwein sei und als es ihm Astrid beschrieb, bekam er große Augen: “Das kenn ich! Ooooh, dann war das gar kein Heidelbeersaft, sondern ein Glühwein. Das macht aber ganz schön Kopfschmerzen.”
Auf ihrem Weg kamen die beiden an so vielen tollen Orten vorbei, am liebsten wäre der Schorsch an jedem einzelnen einen ganzen Tag oder länger geblieben. Zum Beispiel an einer
Höhle, die tief in den Berg führte. Diese ehemaligen Stollen gab es zuhauf, denn seit vielen, vielen Jahren schon bauten die Menschenwesen Schiefer ab. Manchmal gruben sie Löcher, das nannten sie Tagebau und manchmal bauten sie Tunnel und Höhlen, das nannten sie Untertagebau. Am liebsten wäre er hineingewandert und hätte sich das einmal ganz genau angeschaut, aber Astrid konnte im Dunkeln nicht so gut sehen wie er und er wollte sie nicht alleine draußen stehen lassen. Also ging es weiter. Und nicht lange nach der Höhle wurde es mit einem Male richtig schieferig. Der Schorsch und sein Menschenwesen kamen auf einen gigantischen Schieferhügel. Was war das denn? “Das ist eine Schieferhalde”, erklärte Astrid.
Weil die Menschen nur den allerbesten Schiefer verwenden konnten, warfen sie den Rest einfach weg. Schorsch war schockiert. Also waren die Menschen doch Monster. Da schmissen diese Wilden einfach den leckersten Schiefer weg, nur weil er ihnen nicht passte. Für ein ganzes Leben und noch länger hätte ihm so eine Halde gereicht. Und noch mindestens drei anderen Schieferbeissern dazu. Ein bisschen grummelig packte er zwei, drei Steine ein, damit er einen kleinen Snack als Wanderproviant hatte. Und dann sah er, was Astrid ihm zeigen wollte. Über eine Art Balkon konnte er direkt in einen Tagebau blicken. Oooh, so wunderschön sah das aus! Schorsch krabbelte auf das Geländer und blickte in die Tiefe. Überall sah er feinsten Schiefer. Da musste er hin. Astrid setzte sich derweil gemütlich und er erkundete den Tagebau. Schorsch knabberte hier und da und überall.
Genüsslich schmatze er sogar ein bisschen. Als die Sonne dann langsam Richtung Horizont wanderte, machten sich die beiden auf den Rückweg. Unterwegs ruhten sie sich noch ein wenig aus und Astrid und auch der Schieferbeisser packten ihre Brotzeit aus. Das Menschenwesen knabberte an einem Riegel herum, der nach Früchten roch. Da war dem Schorsch doch sein blauer Stein lieber. Das Stück von der Schieferhalde war schon ein bisschen mürbe und schmeckte nach Orangen und Marzipan, einfach herrlich eben. Astrid beobachtete ihn und nach einiger Zeit siegte die Neugierde. “Darf ich mal probieren? Du schmatzt und genießt, vielleicht schmeckt mir das ja auch.” Der Schieferbeisser hielt inne und grinste. “Na klar. Hier, lass uns tauschen. Du probierst meinen Stein und ich deinen Riegel.” Gesagt, getan. Der Schieferbeisser nahm einen Bissen von dem süßen Proviant und beobachtete Astrid gespannt. Und sein Menschenwesenfreund gab sich auch alle Mühe. Aber mit den Zähnen wurde das einfach nichts. Deshalb brauchte man eben solche Schieferbeisserzähne.
Als sie am Abend ihr Lebewohl sagten waren sich beide einig: Das würden sie wiederholen! Und der Schorsch würde auf jeden Fall vorbei kommen und Astrid im Theater besuchen.
Im Dunkel traf der Schieferbeisser seinen Freund Felix und gemeinsam ging es ins nächste Abenteuer.
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Wie der Schieferbeißer den Wald rockte
Felix und Schorsch waren nun schon einige Tage unterwegs. Gemeinsam hatten sie alte Freunde besucht und sogar einen Abstecher zu Schorschs Häuschen gemacht. Der Schieferbeisser war daraufhin sehr traurig gewesen, denn der Winter hatte seinem alten Zuhause gar nicht gut getan. Nichts als ein großer Haufen Geröll war übrig. Sein gestreiftes Öhrchen hatte ganz traurig nach unten gehangen, so schlecht hatte sich der Schorsch gefühlt. Sein Freund, Felix der Fuchs hatte lange gebraucht, bis er ihn wieder zum Lachen gebracht hatte. Und es hatte ihn den einen oder anderen Heidelbeersaft aus seinem Vorrat gekostet. Nun aber war Schorsch wieder guter Dinge und gemeinsam streiften sie durch den Wald. Von Zeit zu Zeit sahen sie lustige kleine Zeichen mit einem noch komischeren kleinen Männchen darauf. Was das wohl für ein Geselle war? Felix und Schorsch überlegten hin und her. Vielleicht war es ja ein ganz besonders kleines Menschenwesen. Schorsch vermutete, dass das eines dieser Kinder war, die im Museum immer so viel lachten und kicherten. Aber bei näherer Betrachtung musste er sich wundern, denn von diesen Menschenkindern hatte keines einen weißen Bart. Dieses Männlein aber schon. “Mmmh. Das ist aber wirklich seltsam.” der Schieferbeisser murmelte nachdenklich vor sich hin. Felix stupste ihn vergnügt mit der Schnauze an. “Na los, wir schauen mal, wo das komische Wesen uns hinführt.” Auf den Schildern streckte das Männlein nämlich immer einen Finger in eine bestimmte Richtung. Und genau diesem Fingerzeig folgten die zwei Freunde. Es ging bergauf und bergab durch den Wald. Immer wieder sahen sie das kleine Männlein auf den Schildern. Mal stand daneben ein größeres Schild, mal ein auffälliger Baum. Zwischendurch konnten die zwei auch einen Blick auf ein riesiges Gebäude erhaschen. Oooh, mit Türmchen und dicken Mauern stand es auf einem Hügel. Da wohnte bestimmt ein König. Oder zumindest der Bürgermeister. Felix und Schorsch beschlossen, dass sie dort bald vorbei schauen wollten. Aber heute ging es weiter dem komischen Wesen hinterher. Und bald kamen die Freunde an einen schönen Platz mit einem dicken Baumstumpf und weichem, saftigem Gras.
Hier wollten sie eine Rast einlegen und eine Kleinigkeit essen. Gemeinsam setzten sie sich ins weiche Gras und genossen ihre Brotzeit. Hach! Das war ein echtes Traumleben! Plötzlich hörten sie Musik, die leise durch den Wald klang. Die beiden blickten sich erschrocken an. Was war das denn? Der Schieferbeisser lauschte angestrengt. Diese Melodie - irgendwie kam sie ihm bekannt vor. Felix trippelte nervös von einer Pfote auf die andere und schnupperte angestrengt. Füchse können nämlich sehr gut schnüffeln, mindestens genauso gut, wie Schieferbeisser lauschen können. Aber weder der Fuchs noch Schorsch konnten irgendetwas Bedrohliches ausmachen. Im Gegenteil. So süß und verlockend wie die Töne durch den Wald strichen, so fein und verführerisch duftete es aus der Richtung aus der die Musik kam. Die zwei Freunde konnten nicht anders und schlichen auf die Musik zu. Es klang und roch einfach himmlisch.
Und auf einer Lichtung fanden sie auch die Musikanten und die Quelle des feinen Duftes. Na das war eine Überraschung! “Gloria!”, der Schieferbeisser stieß einen Freudenjuchzer aus und hüpfte auf seine Freundin zu. Das war vielleicht ein Wiedersehen. Fuchs, Hase und Schieferbeisser lagen sich in den Armen. Lange hatte sie sich nicht gesehen und umso schöner war der Zufall, der sie hier zusammen geführt hatte. Und jetzt erkannte Schorsch auch, was hier los war. Wann immer nämlich die Osterhäsin frei hatte - und das war nach Ostern bis in den Winter hinein - spielte sie mit anderen Osterhasen in einer Band. “Die Langohr-Rocker” traten auf vielen Waldfesten auf und brachten die Fichten zum Beben. Heute feierten die Zwerge eine große Party, um den Frühling zu begrüßen und da heizte Gloria mit ihren Freunden den Zwergen und Elfen und all den anderen Gästen so richtig ein. Und wenn die Zwerge ein Fest feierten, dann gab es immer die feinsten Leckereien. Deshalb roch es auch so verführerisch. Schorsch musste schmunzeln. Da hatten die Schilder aber genau in die richtige Richtung gezeigt. Ob das so beabsichtigt war? Schorsch und seine Freunde tanzten und lachten und sangen bis weit in den Morgen. Der Schieferbeisser erzählte von seinen Museumsabenteuern und von den Menschenwesen und die Zwerge und Elfen lauschten gespannt. Felix und die Hasen tauschten die besten Eier-Rezepte aus und als am Morgen die Sonne aufging saß die ganze zauberhafte Gesellschaft gemeinsam beisammen und bewunderte den rosaroten Himmel über dem dunklen Wald. Und irgendwann war es auch Zeit, Lebewohl zu sagen. Die Freunde herzten sich ein letztes Mal und alle bis auf Felix und Schorsch verschwanden in den dichten Wald. Der Fuchs und der Schieferbeisser blieben noch ein bisschen auf der Lichtung und hingen jeder seinen eigenen Gedanken nach.
Da hörten sie zwei Menschenstimmen, die aufgeregt miteinander wisperten. “Ich habs doch genau gehört! Das ist kein Märchen!”, sagte die eine ganz bestimmt. “Das ist nur eine Geschichte! Das war der Wind, der heute Nacht durch die Waldinstrumente gestrichen ist. Es gibt keine Elfen!”, die andere Stimme klang belustigt. Felix und Schorsch versteckten sich und beobachteten aus sicherer Entfernung, wie zwei Menschenwesen die Lichtung betraten. Suchend strichen die beiden von einer Ecke in die andere, nur um in der Mitte stehen zu bleiben. “Siehst Du! Das heißt doch nicht umsonst Märchenpfad. Es gibt keine Elfen. Und keine Zwerge. Oder sonst irgendwelche Zauberwesen!”, die Menschenstimme klang zufrieden. “Aber…!” “Kein aber. Schluss mit diesen Hirngespinsten!” Normalerweise wäre Schorsch ganz ruhig in seinem Versteck geblieben, aber die Enttäuschung des kleinen Menschenwesens traf ihn. Ein kurzer Blick zu Felix, der zustimmend nickte und dann tauchten die beiden aus ihrem Versteck auf. Das große Menschenwesen sah die zwei Freunde nicht, aber das kleine entdeckte sie sofort. Seine Augen wurden kugelrund. Schorsch grinste breit und legte seine Finger auf die Lippen. Das kleine Menschenwesen grinste zurück und nickte. Es packte die Hand des großen Menschen und zog ihn mit sich fort. Schorsch hörte noch die Stimme, die jetzt ganz fröhlich klang: “Na, dann gibt es halt keine Zwerge. Da hab ich mich wohl verhört” und dann waren die zwei Menschen verschwunden. Zurück blieben Felix und Schorsch und eine Lichtung, die märchenhafte Geschichten zu erzählen wusste.
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Wie der Schieferbeißer Gespenster sieht
“Laaaangweilig!”, Schorsch gähnte laut vor sich hin. Seit Tagen war nichts Aufregendes mehr passiert. Felix lag zusammengerollt in der Sonne und blinzelte verschlafen zu seinem Freund. Der Schieferbeisser hatte Hummeln im Hintern. Er wollte nicht noch einen Tag faul auf der Waldlichtung herumliegen. Es musste ein Abenteuer her. Also so ein richtig aufregendes natürlich. Er hüpfte von einem Bein aufs andere und dabei wippte sein blaues Ohr ganz unwirsch auf und ab. “Felix! Los, lass uns was erleben!” Vom Fuchs kam keine Reaktion. Also außer einem Schnauben und dann einem Schnarchen. Ach so war das also! Der Schorsch hatte schon verstanden. Da würde er sich also ganz alleine ein Abenteuer suchen müssen. Na gut. Das konnte er auf jeden Fall. Und um ganz ehrlich zu sein, der Felix hatte ein bisschen Ruhe auch verdient. Schließlich hatte er ganz schön viele Nichten und Neffen und Schwestern und Brüder und Onkel und Tanten, die ihm alle ziemlich auf den Geist gingen. Jeder wollte irgendetwas anderes von seinem Freund. Da hatte der sich etwas Langeweile und Schlaf verdient. Nicht aber der Schorsch. Beim Schieferbeisser gab es keine Nichten und Neffen und Schwestern und Brüder und Onkel und Tanten. Also zumindest nicht in der Nähe. So ein Schieferbeisser war meist der einzige Schieferbeisser im Umkreis, damit die Steinvorräte nicht ausgingen. Und dadurch konnte ihm seine liebe Verwandtschaft natürlich nicht so auf den gestreiften Nerv gehen, wie das bei Felix der Fall war. Und weil der gestreifte Nerv vom Schorsch noch gar nicht angegriffen war, machte er sich auf, ein Abenteuer zu suchen.
Der Schieferbeisser hatte auf seiner Urlaubstour immer wieder ein großes Gebäude gesehen. So groß, dass da ein König oder zumindest ein Bürgermeister wohnen musste. Und dieses große Gebäude wollte er nun besuchen. Bestimmt gab es da auch köstlichen Schiefer. Von ihrer Lichtung aus, war es nicht so weit, bis er zu dem riesigen Bauwerk kam. Der Schorsch wanderte los, mit ein bisschen Proviant und einem Lied auf den Lippen und am Abend erreichte er auf kleinen Waldpfaden das Haus. Gigantisch war es, viel größer als sein Museum. Und außen herum war ein richtiger Wassergraben. Ha! Das war bestimmt eine Ritterburg. Davon hatte er in der Hasenschule gehört. Da musste er hinein. Da gab es Abenteuer, da war sich der Schorsch sicher. Leichter gesagt als getan, denn nirgendwo fand er eine offene Tür oder ein offenes Tor. Wahrscheinlich hatten die Ritter alles verrammelt und verriegelt, damit ja niemand die Burg einnehmen konnte. Und damit der König oder Bürgermeister sicher war. “Hmmm”, der Schieferbeisser überlegte laut vor sich hin. Vor Anstrengung kringelten sich seine Ohren. Also das Blaue mehr als das Gestreifte, weil es ja auch länger war. Solche Ritterburgen hatten ja immer auch geheime Eingänge. Wenn er so einen finden würde, dann könnte er von dort in die Burg kommen. Aber wie sollte er das denn anstellen? Und während er so hin und her überlegte, wurde es dunkel. Ein großer, gelber Mond schien über dem Schorsch und lachte ihn an. Das half ihm aber gar nichts, weil so ein Mond zwar grinsen konnte, aber keine Tore öffnen. Ein bisschen grummelig war der Schieferbeisser nun schon. Da wollte er einmal ein Abenteuer suchen und dann ließ man ihn keines finden, weil die Tür zu war. Grrrr.
Lange blieb ihm aber nicht zum Schmollen, denn plötzlich sah er eine große Gestalt, ganz in weiß gekleidet, die langsam um die Burg herum schritt. Schorsch versteckte sich vorsichtshalber hinter einem Stein. Ganz nah lief die Figur an ihm vorbei und dem Schieferbeisser wurde es ganz anders, als er sah, was da um die Burg lief. Seine Augen wurden groß und sein Blauton wurde direkt drei Töne heller. Ach Du heiliger Griffelschiefer! Das war ja ein Gespenst. Und wie es wehklagte. Und weinte. Das war ja gruselig. Das Gespenst sah aus wie ein Menschenwesen. Es trug ein langes, weißes Kleid und seine Haare bedeckte eine weiße Haube, die unter dem Kinn mit einem weißen Tuch gebunden war. Auch die Schuhe und Handschuhe und Strümpfe waren ganz weiß. Überhaupt hatte das Gespenst überhaupt keine andere Farbe an sich. Es war direkt ein schneeweißer Geist. Huch, da fürchtete sich der Schorsch aber. Plötzlich und unvermittelt blieb das Gespenst vor dem Versteck des Schieferbeissers stehen. “Komm heraus! Ich hab Dich schon lange gesehen. Zeig Dich, seltsamer kleiner Zwerg.” Das falsche Wort. Vergessen war die Angst und Schorsch kam hinter seinem Stein hervor. Oooh, er war stinkig. “Ich bin KEIN Zwerg!!! Ich bin ein Schieferbeisser! Der mit den schönsten Zähnen im ganzen Frankenwald. Und wer bist Du? Und warum heulst Du hier so rum?” Wie konnte man ihn nur mit einem Zwerg verwechseln. Zwerge sahen völlig anders aus, als Schieferbeisser. Nein, das war einfach nicht in Ordnung. Schorsch schnaubte wütend. “Oh, Verzeihung Herr Schieferbeisser. Das tut mir leid, aber wenn man so schlecht sieht wie ich, dann kann so eine Verwechslung schon einmal passieren. Ich bin die Weiße Frau. Seit Hunderten von Jahren bin ich hier zuhause. Und seit dem ersten Tag hab ich so fürchterliche Zahnschmerzen! Da muss ich einfach wehklagen. Und keiner hilft mir. Alle rennen nur weg und haben Angst.” Schorsch nickte verständnisvoll. Wenn er seit hundert und mehr Jahren Zahnschmerzen hätte, dann würde er auch weinen. Sehr laut sogar. Da musste er einfach helfen. Was hatte die Astrid ihm gesagt? Dieser Schiefer war zum Zähneausbeißen perfekt? Mmmh, wenn das bei Menschenwesen funktionierte, dann auch bei Menschengespenstern, da war er sicher. Schorsch kramte in seiner Hosentasche und fand ein besonders schönes, großes Stück Schiefer. Er schob es dem Gespenst zwischen die weißen Zähne und ließ es ganz fest, also quasi schieferbeisserfest, darauf beißen. Und zack, schon war es vorbei mit dem Zahnweh. Der Gespensterzahn steckte im Schiefer drin.
Nun weinte die weiße Frau gar nicht mehr, sondern war höchst vergnügt. Überschwänglich bedankte es sich bei Schorsch und drückte und herzte ihn. “Dafür hast Du einen Wunsch bei mir frei, mein lieber Freund. Was kann ich Dir Gutes tun?” Da musste der Schieferbeisser nicht lange überlegen: “Ganz einfach. Ich will mir gern die Burg von innen ansehen. Kannst Du mich da hineinbringen?” Die Weiße Frau lächelte ein zahnlückiges, aber glückliches Lächeln. Wenn es weiter nichts war, diesen Wunsch konnte sie dem Schorsch leicht erfüllen.
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Wie der Schieferbeißer baden ging
Schorsch der Schieferbeisser und sein Freund Felix der Fuchs keuchten und prusteten. Es war so heiß, dem Schieferbeisser schmolzen fast die geringelten Füße davon. Ein Schieferbeisser mag eigentlich jedes Wetter. Eigentlich. Denn wenn es zu heiß ist und er kann sich nicht in sein Häuschen verkriechen und die Sonne scheint gar zu stark, dann kann es passieren, dass die geringelten Ohren einfarbig werden. Und das, das will nun wirklich kein Schieferbeisser. Die Ringel kommen zwar wieder, aber das dauert. Und ein ungeringelter Schieferbeisser, das ist ein ganz trauriger Geselle. Deshalb suchten die zwei Freunde nach einer Abkühlung. Und weil Felix die Gegend rund um Ludwigsstadt wie seine Westentasche kannte, wusste er genau, wohin sie gehen mussten, um eine Abkühlung zu bekommen. Aber vor der Rettung ging es erst einmal hinauf und hinauf und wieder ein Stückchen hinunter und wieder hinauf. So ist das in der Rennsteigregion im Frankenwald eben. Es gibt viele, tief eingeschnittene Täler mit steilen und bewaldeten Hängen an jeder Seite. Na, wenigstens brannte im Wald die Sonne nicht so stark auf die zwei Freunde. Nach einer Weile blieb Felix stehen und hob die Nase in den Wind. “Schorsch, wir sind bald da. Ich kann es schon schnüffeln.” Schorsch war erleichtert. “Na, was für ein Glück. Meine Streifen sind schon fast hellblau”
Gemeinsam gingen die beiden einen verwachsenen Pfad entlang. Schorsch kämpfte sich durch dichtes Gras und verschluckte dabei mit Sicherheit zwei oder drei Käfer. Brrr, es schüttelte den Schieferbeisser.Aber dann roch er es auch. Mmmh und wie er es roch! Sein Freund war eben immer für eine Überraschung gut. Immer der Nase nach eilte Schorsch weiter hinter dem Fuchs her. Hier war der Wald ganz schön dicht und es kam wenig Sonne bis zum Boden. Aber es war immer noch ziemlich heiß. Der Geruch nach Schiefer wurde stärker und endlich, als er um die letzte Kurve stapfte, sah er, wohin Felix sie beide geführt hatte. Und vor Freude begannen seine Ohren zu wackeln. Ganz doll. Das blaue ein bisschen mehr als das gestreifte, weil es ja auch länger war. Der Felix hatte sie in einen großen Schieferbruch geführt, der versteckt zwischen Bäumen und Büschen lag. Ganz schön groß war der Schieferbruch trotzdem. Und es war gleich viel kühler hier. Vergnügt krabbelte Schorsch auf einen Schieferhügel und wollte gerade an der Wand knabbern, als eine tiefe, knarzige Stimme ihn innehalten ließ. Felix jaulte erschrocken, als die Stimme begann: “Halt! Was macht ihr hier? Ihr wollt wohl meinen Berg stehlen? Passt bloß auf, sonst fress ich Euch mit Rumpf und Stumpf” Die Stimme kam aus der Wand und klang als mahlten zwei große Wetzsteine aufeinander. Schorsch schaute sich um. Nichts konnte er sehen. Kein Tier, keinen Riesen, kein Gespenst. Was war es nur? Es dauerte noch ein Weilchen. Felix und Schorsch hatten sich sicherheitshalber hinter einem dicken Baumstamm versteckt und beobachteten von dort aus ihre Umgebung.
Mit einem Mal stupste der Fuchs seinen Freund an und deutete auf die Wand. “Schau mal, Schorsch. Da drüben. Die Schieferwand grinst uns an.” Schorsch kniff die Augen zusammen und schaute angestrengt in die Richtung, in die Felix gedeutet hatte. Und tatsächlich. Ein großes Mondgesicht grinste ihnen direkt entgegen. Und eine knorzige, steinige Stimme sagte: “Hab ich Euch ganz schön erschreckt, gell? Ich hab Euch schon lange gesehen. Ich hab nur Spaß gemacht. Euch fress ich natürlich nicht. Der eine ist zu haarig und der andere ist mir zu dunkelblau.” Felix und Schorsch kamen bedröppelt aus ihrem Versteck und tapsten vorsichtig auf das große Gesicht zu. “Wer bist Du?” fragten die Freunde gleichzeitig. “Na das seht ihr doch! Ich bin der Mann im Stein. Kennt ihr mich nicht? Natürlich nicht. Alle kennen den Mann im Mond, aber keiner kennt mich.” Die Wand grummelte kurz aber bedrohlich. Schorsch nickte verständnisvoll. Gerne wäre er noch länger bei dem Mann im Stein geblieben, aber seine Füße waren in der Zwischenzeit noch weiter ausgeblichen. Er brauchte einfach eine richtige Abkühlung. Der Mann im Stein bemerkte den Blick des Schieferbeissers. “Was ist denn los?” Felix und Schorsch erzählten von der Sonne und den Ringeln und als sie fertig waren, lachte der Stein gleich noch mehr. “Ich hab die Lösung für Euch, schaut mal da vorne. Rechts geht es ein Stück nach unten, das ist der kälteste Punkt in der ganzen Gegend. Hab ich zumindest gehört.” Schorsch und Felix liefen weiter und standen noch tiefer in dem ehemaligen Schieferbruch. Und tatsächlich, da unten glitzerte ein kleiner See.
Die beiden kraxelten hinab und während sie in die Kuhle zu dem See stiegen, bemerkten sie, dass es mit jedem Schritt frischer wurde. Der Schieferbeisser jubilierte. Und auch Felix war froh, dass sein dickes schönes Fell ein bisschen auskühlen konnte. Unten angekommen hüpfte Schorsch mit dreieindreiviertel Drehungen in das eiskalte Wasser. Hach, war das schön! Felix kam vorsichtig nach und bald planschten die beiden Freunde in ihrem kleinen Badesee. Und die Füße vom Schorsch waren wieder dunkelblau geringelt. Und das allerbeste war, dass rund um den See ganz viel Schiefer lag, der nur darauf wartete, angeknabbert zu werden.
So ein Urlaub war halt einfach etwas Tolles! Und immer wieder ein Abenteuer. Und wenn man ganz leise war, dann konnte man die beiden um dreiviertel vor Viertel planschen hören.
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Wie der Schieferbeißer zurück kam
Schorsch und Felix spazierten gemütlich hinter dem Ludwigsstädter Bahnhof herum. Es war ein wunderschöner Frühsommertag. Die Vögel zwitscherten, es war nicht zu heiß und nicht zu kalt und die Sonne spitzte immer wieder hinter den großen Schäfchenwolken hervor, die am blauen Himmel langsam dahin zogen. Der Schieferbeisser schnupperte den Lederschiefer, der nicht weit vom Bahnhof entfernt an einem Hang zu sehen war und Felix hatte Heidelbeeren erspäht, die er unbedingt versuchen wollte. So waren die zwei Freunde allerbester Laune, jeder mit Aussicht auf ein leckeres Mahl. Von ihrem Platz aus hatten die beiden einen tollen Ausblick über Ludwigsstadt und Schorsch sah sein Schiefermuseum endlich einmal wieder - wenn auch nur aus der Ferne. Genüsslich knabberte er an einem Stückchen Lederschiefer, der übrigens nach Thymian und Lavendel und Oliven und Schafskäse schmeckte. Mmmmh, der Schieferbeisser war begeistert! Felix grinste mit heidelbeerblauen Zähnen. So musste sich das Schlaraffenland anfühlen. Entspannt blickten sie über die Stadt, als der Schorsch ein rechtes Gewusel vor seinem Schiefermuseum entdeckte. Er kniff die Augen ein bisschen zusammen, damit er noch besser spähen konnte. “Das gibt’s doch nicht. Was treiben die denn da?” Schorsch stupste Felix an. “Siehst Du das?”. Felix, der Fuchs schaute genau hin. Aha, das war also das, was seinen Freund so überraschte. Die Menschen packten Schieferplatte um Schieferplatte in ein großes schwarzes Auto. Schorsch wurde unruhig. Diese Menschenwesen. Was machten die denn da? Wollten die ihm das ganze Schiefermuseum ausräumen? Am Ende packten die klammheimlich alles zusammen und wenn er zurück kam, dann war da nur noch ein leeres Haus. Wo sollte er denn dann wohnen? Wahrscheinlich hatten sie die Wanduhr schon eingepackt! Er hatte es ja gleich gewusst, man konnte diesen Menschen einfach nicht trauen. Kaum ließ man sie ein paar Tage aus den Augen, schwupps schon räumten sie Wohnungen aus und versteckten Schiefer. Nein, das konnte er nicht zulassen. “Felix, kannst Du mich zum Museum bringen? Denen werd ich was erzählen!” Felix ließ seinen Freund auf seinen Rücken steigen. Wie der Blitz sauste er durch die hohen Wiesen. Es war ein Glück, dass im Frankenwald mittlerweile wieder viele Wiesen seltener gemäht wurden, so konnte er unentdeckt fast bis zum Museum gelangen. Wenn man eine Wiese seltener mäht, dann können viele Wildblumen aufblühen und deren Samen ausfallen. So bleibt die Natur gesünder und die Wiesen bunter.
Kurz vor dem Museum stoppte der Fuchs und wartete bis der Schieferbeisser abgestiegen war. Die Freunde verabschiedeten sich voneinander und Schorsch bedankte sich mit einer ganz festen Umarmung bei Felix für den tollen Urlaub. Der Fuchs versprach, bald wieder vorbei zu schauen und verschwand dann auf leisen Pfoten zwischen dem hohen Gras. Schorsch stapfte entschlossen auf sein Museum zu. Er passte auf, dass ihn niemand entdeckte und flitzte wie der Wind über den heißen Asphalt. Auf der anderen Seite schlüpfte er in den Schutz des Johannisbeerbusches und krabbelte leise den kleinen Hügel zum Museumsparkplatz nach oben. So, so. Da waren sie alle. Siegfried und Manja und Nicole und Karina. Und alle schleppten Schiefer um Schiefer und Papier um Papier in das Auto. Dem Schieferbeisser kringelte es das blaue Ohr. So nicht! Wie ein Racheengel schritt er auf die vier zu. “Was wird das denn hier? Wollt ihr wohl ausziehen und mir nichts sagen?”. Seine Stimme klang gefährlich leise. Angst und Schrecken verbreitete er so normalerweise. Die Elfen wären erstarrt vor Angst. Aber die Menschen? Die lachten ihn nur freundlich an und kamen auf ihn zu. Mit großem Hallo begrüßten sie ihn und wollten ihn am liebsten drücken und herzen. Sie hielten erst inne, als sie das Ohr sahen, dass sich immer noch kringelte wie eine Springfeder.
“Was ist denn los?” Schorsch wiederholte, was er dachte und nach einem kurzen Augenblick absoluter Stille brachen die Menschenwesen in Gelächter aus. Nein, sie räumten das Museum nicht leer. Sie packten nur Sachen für zwei Tage Landesgartenschau in Würzburg ein. Denn dort wollten sie noch mehr Menschen zeigen, wie toll der Schiefer und das Museum waren. Oho. Schorschs Ohr entkringelte sich langsam. Na, wenn das so war und seine Wanduhr noch stand und er noch eine Wohnung und ein Museum hatte, dann war er zufrieden. Endlich freute er sich auch, seine Menschenfreunde zu sehen. Und sie fragten ihm Löcher in den Bauch. Über seinen Urlaub und was er alles erlebt hatte. Gemeinsam räumten sie das Auto weiter ein, während Schorsch im Kofferraum saß und Geschichte um Geschichte zum besten gab. Endlich war alles eingepackt, was mit nach Würzburg sollte. Und Siegfried war in das Auto gestiegen und davon gebraust. Die drei anderen Menschen trotteten mit Schorsch ins Museum zurück und der Schorsch atmete tief ein. Hach, am schönsten war es doch daheim! Jetzt reichte es aber mit dem Url… “Kommst Du mit?”, Manja riss ihn mitten aus seinem Gedanken. “Äääh, na klar. Aber jetzt bin ich erstmal geschafft. Ich geh in meine Wohnung. Wir sprechen uns morgen.” Schorsch verschwand Richtung zweite Etage und hörte aus der Ferne nur wie drei Menschenwesen fröhlich jubelten. Und über Würzburg und Schiefer redeten. Als der Schieferbeisser dann in seiner Wanduhrwohnung lag und genüsslich ein bisschen Schiefer knusperte, dämmerte ihm, dass er so gar nicht auf dem Schirm hatte, in was er eingewilligt hatte. Und wenn er da schon gewusst hätte, dass er “Ja” zu einem Ausflug nach Würzburg gesagt hatte, dann hätten sich vor Entsetzen beide Ohren gekringelt. -
Wie der Schieferbeißer die weite Welt entdeckte
"Warum? Waaaruuuum?” Es half kein Jammern und Wehklagen. Ausgemacht war ausgemacht. Manja und Siegfried kannten kein Erbarmen, als sie in aller Herrgottsfrüh im Schiefermuseum vorbei kamen und ihn einsammelten. Da hatte der Schorsch doch tatsächlich letzte Woche aus Versehen zugestimmt, mit zur Landesgartenschau zu fahren. Wo genau die war, wusste er nicht so richtig. Schorsch hatte Witzburg verstanden. Mmmh, vielleicht wurde es ja ganz amüsant. Wenn ein Ort Witzburg hieß, dann waren seine Bewohner bestimmt sehr lustig. Je näher der Termin kam, umso lieber wäre der Schieferbeisser doch in seinem Museum geblieben, aber Manja und Nicole blieben hart. Und deshalb saß der Schorsch nun mit drei Menschenwesen in einem Auto und brauste nur so über die Straßen. Wenigstens sah Nicole genauso müde aus wie er. Gemeinsam kuschelten beide auf dem Vordersitz und versuchten noch ein bisschen zu schlafen. Es blieb bei dem Versuch, denn die anderen beiden Menschenwesen waren echte Frühaufsteher - bääh - und redeten und redeten, bis der Schorsch aufgab und wach blieb. Na gut. So sah er auf jeden Fall, welche Landschaft vorbei zog. Zu Anfang sah es noch sehr heimelig aus. Hohe Hügel, enge Täler und ganz viel Fichtenwald. Und hie und da sah er auch Schiefer hervorblitzen. Aber je weiter sie fuhren, um so flacher wurde die Landschaft und um so weniger Fichten und Schiefer gab es. Und sooo viele Autos. Und in jedem Auto saßen Menschenwesen. Der Schorsch kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Das waren ja mehr, als es Wildschweine im Wald gab. Und alle starrten geradeaus und rasten aneinander vorbei. Keinem fiel auf, dass ein Schieferbeisser mitten unter ihnen unterwegs war. Die Sonne färbte den Himmel in Pastellblau und Rosa und bald schon erblickte der Schorsch komische Gewächse an den Hängen. “Was wächst da denn so komisch?” Manja antwortete in bester Laune: “Das ist Wein. In Franken, also in Unterfranken, wird ein ganz toller Wein angebaut.” Aha. Unterfranken. Das war wohl ein ganzes Eck von seinem Frankenwald entfernt. Wein hatte er Zuhause auf jeden Fall noch nicht gesehen.
In Würzburg angekommen, wuselten die Menschenwesen wie die Ameisen herum und luden Schiefer und Werkzeug und Papier aus dem Auto. Ein weiteres Menschenwesen war mit ihnen gemeinsam angekommen und begrüßte Manja, Nicole und Siegfried herzlich. Schorsch blieb lieber ein bisschen im Hintergrund. Dieses Witzburg war ihm nicht geheuer. Und außerdem hatte er bis jetzt noch nicht einmal lachen müssen. Und es war kalt. Und windig. Grrrr. Unwirsch knabberte Schorsch an einem Stückchen Schiefer herum. Na gut, der war trotzdem lecker. Der Spanische Dachschiefer schmeckte wie Mandeltorte. Am ersten Tag war es also hauptsächlich kalt. Wenig Menschen waren unterwegs und so blieb es ziemlich ruhig. Siegfried hackte Schieferherzen, Manja und Nicole dekorierten Schiefer mit Stanniol und das andere Menschenwesen - Birgit - half überall mit.
Am zweiten Tag aber, da war es wärmer und oh oh, da ging die Post ab. Zu Anfang saß der Schorsch noch ganz mutig weit vorne und begrüßte große und kleine Menschenwesen, aber schon bald war er umringt. Klebrige Finger griffen nach seinen Ohren, nach dem Blauen noch mehr, als nach dem Gestreiften, weil es ja länger war und gegen Mittag reichte es dem Schieferbeisser entgültig und er verzog sich wieder in seine Ecke. Von dort beobachtete er das Treiben. Bis jetzt hatte er nicht gewusst, dass es überhaupt so viele Menschenwesen gab. Und dieses Witzburg war überhaupt nicht lustig, sondern einfach nur laut und riesig. Und es roch überhaupt nicht so toll, wie in seinem Wald. Oder im Garten vom Schiefermuseum. So hatte er sich diese Landesgartenschau nicht vorgestellt. Vorsichtig schlüpfte er aus dem Pavillon und schlich sich durch die Ausstellung. Große Blumen aus Stahl standen da und Gemüsebeete, in denen Salat wunderschön in Gelb blühte. Schorsch pirschte sich weiter durch Gemüsebeete mit altem Nutzgemüse und Würzkräutern. Hier roch es schon ein bisschen besser. Wenn nur nicht überall diese Menschenwesen herumwuselen würden. Es musste doch eine ruhige Ecke geben! Vielleicht zwischen den großen Disteln, die da hinten im Beet wuchsen? Iiih, viel zu kratzig! Und die Tomaten waren immer ein bisschen klebrig und das mochte der Schieferbeisser so gar nicht. Endlich, nach einer Ewigkeit wurden die Pflanzen höher und dichter. Viele bunte Blumen standen nebeneinander und dazwischen konnte sich Schorsch hervorragend verstecken. Hach, wie schön. Kein Mensch würde ihn hier finden. Fix bastelte sich Schorsch eine Liege aus Zweigen auf die er sich fläzte und die Sonne genoss. So ließ es sich aushalten. Es dauerte nicht lange bis er eingschlafen war und leise vor sich hin schnarchte. Mit einem Mal wurde er unsanft von zwei kleinen Menschenwesenhänden, die nach ihm griffen, geweckt. Schorsch blieb ganz stumm und machte sich steif. “Mama, Mama, schau mal, was ich gefunden habe! Einen blauen Teddybär. Darf ich den behalten?” Oooh, das klang nicht gut. “Ich glaube nicht. Schau mal, der sieht genauso aus, wie der Schieferbeisser, der da vorne auf dem Plakat ist. Den hat bestimmt jemand verloren.” Das große Menschenwesen zeigte in Richtung des Pavillons wo Manja, Nicole und Siegfried waren. “Ach bitte! Bitte, Mama! Ich verspreche Dir auch, dass ich immer gut auf den Teddy aufpasse.” Aber das Mamawesen gab nicht nach. Puuh, ein Glück. Unter Protest trug der kleine Mensch den Schieferbeisser in Richtung des Schiefermuseums-Pavillons. Und das war ein Hallo, als sie dort ankamen. Nicole sah die kleine Gruppe als Erste und ließ vor Schreck den Stupp-Pinsel fallen. Zögerlich übergab der kleine Mensch Schorsch an Nicole und die hielt ihn ganz fest. Schorsch war ziemlich dankbar dafür. Wer konnte schon wissen, wohin ihn die klebrigen Hände entführt hätten. Und ob es da auch nur ein Krümelchen Schiefer gegeben hätte. Nicole schenkte dem kleinen Menschenwesen als “Finderlohn” eine Schiefertafel und das genügte, um dem Kind ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Und Schorsch blieb von da an sicherheitshalber in seinem Eck.
Auch die längsten zwei Tage waren bald zu Ende. Und während Manja, Nicole und Siegfried ganz glücklich waren, weil sich so viele Menschen für das Schiefermuseum interessierten, war der Schorsch einfach froh, dass er die Riesenstadt verlassen konnte. Wie freute er sich auf sein ruhiges Museum und seinen duftenden Museumsgarten mit Blümchen und Kräutern und Bienen und Hummeln und Schmetterlingen und noch vielem mehr.
Er war und blieb halt einfach ein Land-Schieferbeisser. Und das machte ihm gerade so gar nichts aus.
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Wie der Schieferbeißer auf der Suche nach der Stille war
Nein! Heute wollte der Schieferbeisser gar niemanden sehen oder hören. Die letzte Woche hatte ihm gereicht. Schorsch dachte immer noch mit Gruseln an sein Beinahe-Kidnapping. Brrr. Wer weiß, wo er da hinentführt worden wäre. Vielleicht in irgendein Haus in Witzburg. Oder vielleicht noch weiter. Und am Ende vielleicht sogar in eine Ecke, wo es überhaupt kein Fitzelchen Schiefer gäbe. Wenn ein Schieferbeisser keinen Schiefer beissen kann, dann geht es ihm ganz fürchterlich. Zuerst werden seine Ohren ganz schlaff. Dann werden seine Zähne grün und dann, dann verliert er seine schöne blaue Farbe. Man stelle sich das nur vor! Ein ausgeblichener Schorsch! Puuh, da hatte er noch einmal Glück gehabt. Und wegen dieser Aufregung reichte es ihm. Schorsch hatte sich in seine Wanduhr verkrochen und lag bäuchlings auf seinem Bettchen. Seine Ohren hingen über die Kante und wackelten bei jedem Atemzug ein bisschen. “Schooooorsch! Wo bist Du deeheeenn?!” Das konnte doch nicht wahr sein. Was war denn nun schon wieder? Missmutig rappelte sich der Schieferbeisser hoch und schaute aus der Wanduhr. Da standen zwei völlig fremde Menschenwesen und schauten ihn erwartungsvoll an. “Ja bitte?” Blitz! Schorsch blinzelte. Dem grellen Blitz der Handykamera folgten zwei vergnügte Quietscher: “Es gibt ihn ja wirklich! Schorsch, komm doch mal her, wir wollen Deine Ohren kraulen.” Der Schieferbeisser grummelte laut und verzog sich wieder in seine Wanduhr. So ging das jetzt schon seit der Landesgartenschau. Immer wieder kamen irgendwelche Menschenwesen und wollten Fotos von ihm. Oder einen Ohrabdruck. Oder einen angeknabberten Schiefer. Und immer wieder wurde er gestört. Es war zum Zwiebeln ziehen. Wenn er gewusst hätte, dass das solche Konsequenzen nach sich ziehen würde, nein, dann hätte sich Manja auf den Kopf stellen können, er wäre nicht mit nach Witzburg gefahren. Und nicht ein lumpiges Streubla hatte er als Belohnung gekriegt. Nicht eines! Das war doch nicht in Ordnung. Schon wieder hörte er Getrappel und Gequietsche und irgendjemand rief seinen Namen. Aaaah! Schorsch zog sich die Decke über seinen Kopf. So konnte es nicht weitergehen. Heute Nacht würde das ein Ende haben.
“Hach! Gottseidank!”, Schorsch seufzte erleichtert. Es war Ruhe eingekehrt in seinem Museum. Vorsichtig lugte er aus seiner Wanduhrwohnung. Jawoll. Es dämmerte und das Schiefermuseum war still und stumm. Endlich. Der Schieferbeisser kraxelte heraus, hüpfte in die Tafelmacherstube und marschierte von dort aus geradewegs in die Werkstatt. Ab morgen würde das aufhören mit diesen störenden Menschenwesen. Hinten, im linken Eck, fand er was er suchte. Dort standen noch die Schiefer, die Siegfried zu Herzen gehauen hatte. Schorsch schnappte sich einen und ritzte mit seinem größten Zahn einen Kreis ein. Ein Schieferdecker konnte diesen Kreis mit seinem Schieferdeckerhammer aus dem Schiefer hacken. Und Nicole hatte er schon ein paarmal dabei beobachtet, wie sie mit der Schieferschere einen Kreis ausschnitt. Die Schieferschere wurde früher in den Spalthütten benutzt, um die vorgezeichneten Formen aus dem Schiefer zu schneiden. Wie beim Plätzchenbacken waren die Formen zuvor dicht an dicht mit einer Schablone aufgezeichnet worden. Mmmh, die Schieferschere war viel zu groß für den Schorsch. Und auch der Dachdeckerhammer war nicht perfekt für den Schorsch. Der Stiel müsste kürzer sein. Schorsch überlegte nicht lange. Sorgfältig knabberte er an der aufgezeichneten Kreislinie entlang, bis er einen wunderschönen, gleichmäßigen Kreis vor sich hatte. Lecker dieser Schiefer. Ein bisschen nach Mandelkuchen. Das musste wieder ein spanischer Dachschiefer sein. Zum Schluss machte er noch zwei Löcher nahe an den Rand und zog ein Stückchen Paketschnur durch. So! Jetzt fehlte noch das Wichtigste. Sorgfältig malte er mit einem Milchgriffel einen großen Totenkopf auf sein Schild. Und dann noch ein großes dickes Ausrufezeichen. Und das Schild hängte er an das Metallrohr, das die Tafelmacherstube absperrte. Das musste doch jeder verstehen. Zufrieden mit sich und seinem Werk kletterte Schorsch in seine Wanduhr und kuschelte sich in seinen Strickstrumpf.
“Schooooorsch! Bist Du daaahhaaaa?” Der Schieferbeisser fiel aus seinem Bett, so sehr erschrak er. “Das gibt’s doch nicht”, Schorsch schäumte. Und zwar so sehr, dass sich seine Ohren nicht nur kringelten, sondern auch noch ringelten. Wenn man genau hinsah, konnte man sogar ganz leichte Rauchwölkchen aus den Ohren aufsteigen sehen. “Nein, ich bin nicht da!” Der Schieferbeisser brüllte so laut er konnte.” Die Antwort war vergnügtes Quietschen. Grrrr. Gerade wollte er seine Wohnung verlassen und diesen Menschenwesen die Meinung sagen, da hörte er Rettung nahen. Karinas Stimme klang freundlich, aber bestimmt: “Bitte geht weiter, der Schorsch kann heute nicht rauskommen.” Schorsch seufzte tief. Ein leises Klopfen an seiner Wanduhr ließ ihn aufhorchen. Vorsichtig spitzte er durch sein Guckloch. Karina stand da und schaute besorgt. “Was ist denn los? Du hast so laut geschimpft, dass ich Dich bis in die untere Etage gehört habe. Alles OK?” Der Schieferbeisser schüttete seiner Menschenwesenfreundin sein Herz aus. Und Karina hatte die Lösung. Sie konnte zwar nicht die Besucher aus dem Museum verbannen, aber sie konnte dem Schorsch helfen, dass er sie nicht hören musste. Fluchs eilte sie die Treppen nach unten, nur um kurz darauf mit zwei leuchtend gelben Stöpseln wieder vor der Wanduhr zu stehen. “Schau mal. In jedes Ohr eins von den Dingern und schon hast Du Ruhe.” Schorsch machte es so, wie Karina gesagt hatte und mit einem Schlag hörte er gar nichts mehr. Ooooh das war so schön. Er schenkte seiner Menschenfreundin ein breites Grinsen und verschwand wieder in seiner Wanduhr. Wegen ihm konnte die ganze Welt herumbrüllen und quietschen und rufen. Der Schieferbeisser hörte dank seiner neongelben Ohrenstöpsel nichts mehr. Glücklich und zufrieden hüpfte er in seiner Wohnung herum. Und der Rest war Schweigen. -
Wie der Schieferbeißer den Geistern das Fürchten lehrte
„Juhuuh, endlich daheim!“ Schorsch tanzte einen echten Schieferbeisser-Freudentanz, als er vor sich den Museumshügel sah. Das Schiefermuseum stand wie eh und je, hell angestrahlt. Es war schon dunkel und kein Licht schien von innen heraus. Seine Menschenwesen waren schon daheim für heute. Sein blaues Ohr kringelte sich vor Freude und er hüpfte aufgeregt auf und ab. Er hatte seine Wanduhr ganz schön vermisst. Und die Streubla. Und ein bisschen sogar seine Menschenwesenfreunde. Der Sommer bei Oma Kuni war schön gewesen, keine Frage. Er hatte sie gepflegt und ihr Schieferbrei und Heidelbeersaft und Brot mit Schieferwurst gemacht, von dem er sogar die Rinde abgeschnitten hatte, damit seine Oma nicht so fest kauen musste. Und jeden Abend hatte er den Zahn mit Fichtenpech eingeschmiert. Fichtenpech, also das Harz des Fichtenbaumes heilt nämlich ganz wunderbar. Viel besser als ein Pflaster oder ein Verband. Und ab und zu kam Felix zu Besuch oder Cornelius, die Eule. Es war eine herrliche Zeit gewesen. Aber als die Blätter anfingen bunt zu werden und die Nächte kühler wurden, da hatte Schorsch angefangen sich nach seiner Wanduhr zu sehnen. Hach ja, die kuschelige, gemütliche und warme Wanduhr in der sein eigenes Bettchen stand und von der aus er ganz schnell zum feinsten, leckersten Schiefer gelangte. Also hatte er sich aufgemacht und war durch den Herbstwald gewandert. Fünf Tage war er gewandert und heute hatte er es geschafft – der Schieferbeisser war daheim angekommen!
Und offenbar hatten die Menschenwesen sogar die Tür für ihn offen gelassen. Konnten die am Ende hellsehen? Fröhlich tapste Schorsch durch das weiße Tor, durch das er auch zum allerersten Mal ins Museum gelangt war. Und blieb wie angewurzelt stehen. Irgendetwas passte ganz und gar nicht. Schorsch schlüpfte hinter die große Rahmenschleifmaschine und drückte sich eng an den Metallrahmen des riesigen Ungetüms. Wie James Bond schlich er von Schatten zu Schatten, um endlich das Holzregal zu erreichen, in dem er die ersten Nächte geschlafen hatte.
Von hier aus hatte er die ersten beiden Räume perfekt im Blick. „Was ist hier los?“, Schorsch murmelte vor sich hin. Angestrengt lauschte er in die Dunkelheit. Über ihm stampften Schritte über das Holz. Stimmen ohne Gesicht flüsterten unverständliche Worte und ein hohes Kratzen stimmte in die fremden Geräusche ein. Dem Schieferbeisser lief eine Gänsehaut über seine Ohren, über das blaue noch mehr, als über das gestreifte, denn es war ja auch ein bisschen länger. Was war das? Könnte es ein Baumtroll sein? Oder vielleicht ein Dunkelelf? Oder – und bei dem Gedanken wurde es dem Schorsch ganz anders – vielleicht war es ja ein Schlurfstrufel? Ooooh, wenn hier ein Schlurfstrufel sein Unwesen trieb, dann war alles verloren. Dann war es am Besten das ganze Museum niemals wieder zu betreten. Niemals wieder. Und auch nach dem Niemals nicht mehr.
Die Stimmen wurden lauter und Schorsch drückte sich tief in den Schatten seines Holzregals. Schritte auf der Treppe verrieten, dass jemand nach unten kam. Und auch das quietschende und höchst unangenehme Kratzen wurde lauter. Der Schieferbeisser schluckte. Gleich würde er Auge in Auge mit dem Schlurstrufel stehen. Wär er doch bei Oma Kuni geblieben. Immer lauter wurde das Kratzen und immer lauter wurden die Stimmen, bis sie direkt vor ihm stehen blieben. Schorsch blinzelte und staunte nicht schlecht. Das war kein Schlurfstrufel. Oh nein. Das waren zwei junge Menschenwesen. Und die Beiden hatten nichts Gutes im Sinn. Jede Maschine griffelten die zwei an und kratzten mit einem dicken Nagel darauf herum. Und immer wieder nahmen sie Schieferplatten und warfen sie auf den Boden, damit sie zersplitterten. Und dabei lachten sie ganz doof. „Grrrr“. Schorsch knurrte gefährlich. Das war ja wohl ein schlechter Scherz. „Süßes oder Saures! Süßes oder Saures! Euch zeigen wir’s.“. Die zwei sangen grässlich. Wie Kobolde. Fast wünschte sich der Schieferbeisser einen Schlurfstrufel herbei, denn der hätte kurzen Prozess gemacht. Schorsch beobachtete wütend, wie die zwei durch die Räume zogen und überall Unheil anrichteten. Ooooh, das konnte er nicht so hinnehmen. Und er hatte auch schon eine Idee.
Schieferbeisser sind eigentlich ganz friedliche Gesellen. Normalerweise. Aber wenn man sie so richtig, richtig wütend macht, so wütend also, dass sich nicht einmal mehr die Öhrchen kringeln, ja dann kann so ein Schieferbeisser auch ganz anders. Da bekommen sogar die Wildschweine im Wald Angst. Selbst die Baumtrolle verstecken sich dann hinter den dicksten Buchen und hoffen, dass der wütende Schieferbeisser sie nicht findet.
Und genau so wütend war der Schorsch gerade. Er holte einmal und zweimal tief Luft und dann murmelte er mit einem gruseligen Knurren ein kleines Sprüchlein in einer Sprache, die nur ein Schieferbeisser verstand. Ein Zischen sirrte durch die Luft und im Schiefermuseum kam ein Wind auf, der die Tafeln im Trockengestell klappern ließ. Schorschs Zähne wurden größer und größer und er selbst wurde ganz dunkel. So dunkel, dass die Nacht Angst bekam. Ein großer schwarzer Schatten mit noch größeren Zähnen schwebte durch das Schiefermuseum. Die zwei Menschwesen erstarrten, als sie den Schatten erblickten, der direkt auf sie zukam. Mit tiefer, unmenschlicher Stimme hörten sie den Schatten sprechen: „Süßes oder Saures!
Ich geb Euch Saures!“ Und dann schwebte er auf sie zu und bleckte seinen großen, spitzigen Zähne. Einer der Taugenichtse fing an zu stottern und zu weinen und der andere stand wie erstarrt. Der Schieferbeisser schwebte auf die beiden zu und als er kurz vor ihnen war und sie seine großen weißen Augen im Schwarz ausmachen konnten, schrien die zwei laut auf und nahmen die Beine in die Hand. Schnurstracks rannten sie aus dem Museum und wahrscheinlich hörten sie nicht auf zu rennen, bis sie ganz Ludwigsstadt hinter sich gelassen hatten. Schorsch aber grunzte zufrieden und stieg die Stufen zu seiner Wanduhr hinauf. Endlich war hier wieder Ruhe im Karton. Und so würde das auch bleiben. Denn der Schieferbeisser war zurück!